Türkei wird EU-Außenlager

Von german-foreign-policy.com

Berlin und die EU bereiten sich auf den Bau von Lagern für Flüchtlinge in der Türkei vor. Entsprechende Pläne sind am gestrigen Montag bei einem Treffen des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan mit der EU-Spitze in Brüssel besprochen worden. Demnach ist die EU bereit, bis zu einer Milliarde Euro für den Bau von sechs Lagern in der Türkei zu zahlen, in denen Flüchtlinge vorzugsweise aus Syrien festgesetzt werden sollen.

Kernelement ist die Absicht, die Abschottung der griechisch-türkischen Seegrenze zu perfektionieren. Dazu sollen gemeinsame griechisch-türkische Patrouillen im Mittelmeer durchgeführt werden; in die Patrouillen, deren Aufgabe es ist, Bootsflüchtlinge auf dem Weg zu den griechischen Inseln zu stoppen, soll zudem die EU-Grenzabschottungsbehörde Frontex eingebunden werden.

Damit die aufgegriffenen Flüchtlinge sofort zurück in die Türkei deportiert werden können, soll diese zum „sicheren Drittstaat“ erklärt werden. Das ist mit massiven rechtlichen Schwierigkeiten verbunden, da in der Türkei, seit Ankara die Angriffe auf die PKK und die krasse Repression gegen andere kurdischsprachige Organisationen wieder aufgenommen hat, faktisch Bürgerkrieg herrscht. Um die automatische Rückschiebung von Flüchtlingen in ein Bürgerkriegsland zu legitimieren, schlug EU-Parlamentspräsident Schulz (SPD) vor, den Status des „sicheren Drittstaates“ an die EU-Beitrittskandidatur zu binden. Schulz erklärt: „Es ist absolut unmöglich, über die Türkei als Beitrittskandidatin zu sprechen und sie nicht zum sicheren Herkunftsland zu erklären.“

Streit gibt es darum, was nach der Abschottung der Grenze mit den Flüchtlingen geschehen soll. Ankara ist nicht bereit, sich weiterhin allein um sie zu kümmern. Mittlerweile hielten sich beinahe 2,5 Millionen Flüchtlinge aus Syrien in der Türkei auf, erklärte Erdogan in Brüssel. Die Türkei habe für sie bislang rund 7,8 Milliarden US-Dollar ausgegeben, während weitere Staaten sich lediglich mit 417 Millionen US-Dollar an den Kosten beteiligt hätten; man werde das nicht länger tolerieren.

Brüssel ist offenbar bereit, bis zu 500 000 Flüchtlinge aus der Türkei direkt in die EU zu holen. Erdogan zufolge beabsichtigt die EU dabei, Flüchtlinge nach ihrer Nützlichkeit – etwa für die Wirtschaft – auszuwählen.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Türkei wird EU-Außenlager", UZ vom 9. Oktober 2015



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Haus.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit