In der vergangenen Woche bekamen fünf linke Aktivistinnen und Aktivisten in Stuttgart, Tübingen und Villingen-Schwenningen ungebetenen Besuch zu früher Morgenstunde. Ein martialisches Polizeiaufgebot durchsuchte ihre Wohnungen und brach dabei auch mehrere Türen auf. Betroffen war neben Privatwohnungen auch das Linke Zentrum Stuttgart, das den Namen der kommunistischen Widerstandskämpferin Lilo Herrmann trägt. Das Zentrum wurde vor rund zehn Jahren im Stadtteil Heslach offiziell eröffnet und ist ein Knotenpunkt linker Bewegungen und Initiativen in verschiedenen politischen Bereichen. Es ist nicht die erste Durchsuchung dort und vermutlich auch nicht die letzte. Die staatlichen Repressionsorgane nutzen jede Gelegenheit, um gegen das Lilo und die darin beheimateten Initiativen vorzugehen.
Der offizielle Grund für die Durchsuchung in diesem Fall war die angebliche Beteiligung einer Person an der „Stuttgarter Krawallnacht“ im Juni 2020, wie das Ereignis dann in den bürgerlichen Medien getauft wurde. Nach rassistischen Polizeikontrollen am Eckensee war es einigen Jugendlichen zu bunt geworden und es kam zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. In der Innenstadt entstand einiger Sachschaden in der Einkaufsstraße. Der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gab sich entsetzt und kündigte ein hartes Vorgehen an. Dann passierte zwei Jahre so gut wie nichts. Bis dann am 22. März auf einmal ganz dringend eine Wohnung durchsucht werden muss, um zwei Jahre später angeblich Beweise sichern zu wollen. Das ist natürlich überhaupt nicht komisch.
Genauso unkomisch war es kürzlich bei einer anderen Hausdurchsuchung: Ebenfalls vor zwei Jahren fand in Konstanz eine Spontandemo gegen einen stadtbekannten Neonazi statt. Vor dem Haus wurden wohl Flyer an die Nachbarn verteilt, Slogans gesprüht und was sonst noch so getan wird bei einer Outing-Aktion gegen Neonazis. Vermutlich wollte man jetzt noch ein paar alte Flyer oder eine leere Lackdose finden.
Wahrscheinlicher ist es, dass die Durchsuchungen in letzter Zeit die Fortsetzung von Einschüchterungsversuchen und Strukturermittlungen gegen linke Bewegungen der Region ist. Nach den harten Urteilen und noch andauernden Prozessen gegen Antifaschistinnen und Antifaschisten dienen wohl die Hausdurchsuchungen dazu, linke Gruppen von ihrer politischen Arbeit abzuhalten oder zumindest zu behindern.
Ob das allerdings aufgeht, sei mal dahingestellt. Auf jeden Fall gab es am gleichen Abend eine Solidaritätsdemonstration in der Stuttgarter Innenstadt mit rund 200 Personen, auch aus anderen Städten kam Protest gegen den Polizeieinsatz. Solidaritätsorganisationen wie die „Rote Hilfe e. V.“ solidarisieren sich mit den Betroffenen und fordern die Einstellung aller Verfahren.
Jetzt ist Solidarität zeigen angesagt. Öffentliche Statements oder Leserbriefe an die „Stuttgarter Zeitung“ schreiben kann helfen. Ebenso muss sich die parlamentarische Politik in den betroffenen Städten Baden-Württembergs fragen lassen, wie sie zu solchen massiven Grundrechtseinschränkungen steht und was sie zu tun gedenkt. Wenn sie nichts tut, ist das auch ein Statement.