Der Düsseldorfer Fotograf Toni Tripp rückt die Licht- und Schattenseiten des „Wirtschaftswunders“ der 50–70er Jahre ins Blickfeld. Er hält Augenblicke fest, die im Alltag gern übersehen werden. Wie arbeitete, wohnte – schlicht gesagt – wie lebte man in Düsseldorf in der Zeit des Wirtschaftswunders. Die ausgestellten Fotos verdeutlichen das soziale Engagement des Fotografen. Die Kamera ist sein Werkzeug, das er professionell beherrschte. Wichtiger aber ist sein Einmischen in die sozialen politischen Verhältnisse. In diesem Sinn war Tripp nicht Beobachter. Er verstand sich als Stadtpoet und Historiker. „Grabe wo du stehst“ beeinflusste seine Sichtweise. Seine Fotos sind bedrückend, aber nicht resignativ. In einer Fotoserie hält Tripp die Lebensfreude der Kinder fest. Zugleich zeigt er jedoch auch die Schattenseite. Wie war das mit den Contergan geschädigten Kindern? Tripp visualisiert den Anspruch, dass man nicht über Armut reden kann, wenn man nicht auch den Reichtum zeigt. Udo Achten und Manfred Tripp haben eine sehenswerte Ausstellung zusammengetragen und zeigen diese im Kultur Bahnhof Eller in Düsseldorf.
18.9.–23.10.2016
Kultur Bahnhof Eller
Vennhauser Allee 89
40229 Düsseldorf
Di bis So 15 bis 19 Uhr, Eintritt 3 Euro
www.kultur-bahnhof-eller.de
„Rote Fahnen sieht man besser“ – ist der Titel eines Films, in dem betroffene Arbeiter in Krefeld um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze kämpfen. Der Kampf um die Arbeitsplätze gehört zur Geschichte der Industrie – hier insbesondere im Bergbau und Stahlbereich. Die Arbeit der Bergleute war nach dem Krieg von zentraler Bedeutung. Aber sehr bald zeigt sich, dass die Bergarbeiter dafür streiten mussten, dass der Wandel nicht nur auf ihren Rücken ausgetragen wird. Waren sie in der Aufbauphase der Bundesrepublik noch die Könige – sie hatten gut bezahlte Arbeit – wandelte sich ihr Image zu Almosenempfängern, die nur durch Subventionen überlebten. Vergessen, dass das Auf und Ab der Konjunktur – genannt freie Marktwirtschaft – auf ihre Kosten geht. Schwarze Fahnen signalisieren Protest und Trauer – aber werden sie entsprechend von den Herrschenden wahrgenommen? Die Demonstration, die Tripp an vielen Orten und Gelegenheiten zeigt, hatte zumindest zum Ergebnis, dass die Folgen des Wandels sozial abgefedert wurden.
„Heute Maßhalten – morgen Maul halten“ – heißt es am 1. Mai 1963. Damit richtet sich die IG Metall gegen die Zumutung des Wirtschaftsministers Ludwig Erhard, man solle bei den Lohnforderungen zugunsten der Unternehmer Maß halten. Der Arbeitskampf wird von den Arbeitgebern systematisch vorbereitet, sie wollen eine Machtprobe. Die Zahl der Ausgesperrten übersteigt bei weitem die der Streikenden. Notstandsgesetze, die der Regierung die Möglichkeit geben, vorbei am Parlament Freiheitsrechte der Bürger einzuschränken, werten die Gewerkschaften, nach den Erfahrungen von 1933, als eine Gefährdung der Demokratie. Toni Tripp begleitet den Arbeitskampf mit der Kamera. Beim Aufstellen der Forderung, bei der Arbeit der Streikposten und den machtvollen Kundgebungen ist er dabei. Fotos können ein Mittel in der Auseinandersetzung sein. Die Werksleitung lässt Streikposten fotografieren, um möglicherweise nach dem Streik gegen Arbeiter vorzugehen. Tripp dreht den Spieß um, in dem er den Beauftragten der Werksleitung fotografiert. So stellt Tripp mit seinen Fotos Öffentlichkeit her.
Düsseldorf ist immer im Wandel – diesen dokumentiert Tripp mit seinen Fotos. Es ist ein Stück Geschichte der Stadt. Faszinierend – wenn auch nicht ohne Widersprüche das Neubeginnen nach 45. Die Nachteile der autogerechten Stadt zeigen sich erst später – in den Zeiten des Wirtschaftswunders herrscht noch der Fortschrittsglaube – das eigene Auto wird Statussymbol.
„Wiedervereinigung bald – doch ohne Gewalt.“ – eine Forderung, die sich sowohl gegen eine Zementierung der deutschen Teilung richtete und gleichzeitig eine Absage gegen gewaltsame Veränderung durch militärische Intervention ist. Die neue Ostpolitik der Regierung, die durch Willy Brandt in Gang gesetzt wurde, war ein wichtiger Beitrag zur Entspannung – was jedoch nicht bedeutet, dass er von allen für gut befunden wurde. Krieg ist möglich, wahrscheinlich jedoch auch verhinderbar – wozu es jedoch keine Garantie gibt. Wann immer sich Widerstand gegen Rüstung regte, sich der Friedenswille zeigte, Tripp war dabei.
„Nie, nie woll‘n wir Waffen tragen, nie nie woll‘n wir wieder Krieg“
nach den Erfahrungen des Krieges war der Friedenswille fest im Bewusstsein der Bevölkerung verhaftet. Unter den Bedingungen des Kalten Krieges wurde der Antikommunismus zur staatstragenden Ideologie, die Bundesrepublik ins westliche Militärbündnis integriert. Der Griff nach atomarer Bewaffnung der Bundeswehr stand im Raum. Doch parallel zum Rüstungswahnsinn gab es immer wieder – wellenartig – auch Widerstand gegen die Militarisierung.
Bildtexte von Udo Achten