Rumänien zwischen den Großmächten

Truppen und Investoren

Von Anton Latzo

Die Anlage, die die USA für ihr Raketenabwehrsystem in Rumänien aufbauen, soll bis Ende des Jahres einsatzbereit sein. Während der NATO-Tagung im Juni verkündete der rumänische Verteidigungsminister, dass in diesem Jahr in Rumänien 100 Übungen mit den US- bzw. NATO-Streitkräften stattfinden werden, USA und NATO richten immer mehr militärische Stützpunkte im Land ein. Rumänien ist zu einem wichtigen Aufmarschplatz für die Truppen und Waffensysteme der USA und der NATO geworden. Für die USA heißt das: Sie können ihre Stellung im südöstlichen Europa stärken und alle militärischen und ökonomischen Operationen in der Schwarzmeer-Region kontrollieren – sowohl die Aktivitäten der EU-Mächte als auch die Aktivitäten Russlands auf dem Wasserweg ins Mittelmeer.

Nach 1990 wurde Rumänien, wie die anderen ehemals sozialistischen Staaten, durch die Auflagen des IWF und der Weltbank und die Aufnahmebedingungen der EU sicher auf die Bahn des Kapitalismus gebracht. Die wirtschaftlichen Ressourcen des Landes sind heute zum großen Teil in den Händen ausländischer Investoren: Die Ausbeutung der rumänischen Erdölquellen zu 100 Prozent, die Hälfte der Gasvorkommen, die Verarbeitung des Erdöls und die Verteilung der Brennstoffe, über 80 Prozent der Stromversorgung, die Metall verarbeitende Industrie, die Autoindustrie, 80 Prozent der Baustoffindustrie, die gesamte Telekommunikation, 20 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche, der Getreidehandel, praktisch das gesamte Bankensystem, die Versicherungen usw. werden von den Monopolen der stärksten imperialistischen Mächte kontrolliert. Die Aufnahme Rumäniens in die NATO (2004) und in die EU (2007) sorgten für die Absicherung dieses Prozesses.

Den Weg in die EU hat ein „Rat ausländischer Investoren“ „begleitet“. Dieser Rat wurde 1997 gebildet, er sorgte dafür, dass die Regierung günstige Bedingungen für das ausländische Kapital schuf. Am stärksten vertreten ist in diesem Rat das Kapital aus den Hauptmächten der EU, besonders der BRD, und aus den USA. Adrian Nastase, lange Zeit Außenminister und Ministerpräsident, einer der rumänischen Hauptakteure auf diesem Weg, muss heute feststellen, dass „viele Dinge, an die ich geglaubt habe, zerstört werden“.

Die USA nutzen einerseits den Rahmen der NATO, um ihren Einfluss in Rumänien auszubauen, andererseits setzen sie verstärkt auf bilaterale Zusammenarbeit. Auf Seiten der rumänischen Regierung drückte sich das z. B. darin aus, dass Staatspräsident Basescu 2012 eine „Achse Bukarest-London-Washington“ ausrief. Letztendlich entsprach er damit nur dem Interesse der USA in der Region festen Fuß zu fassen – auch unabhängig von der EU.

Nach einem Besuch des rumänischen Ministerpräsidenten Victor Ponta in den USA stellte Washington ihm einen besonderen Berater zur Seite. Es ist kein geringerer als der pensionierte Vier-Sterne-General der USA Wesley Clark, bis 2000 Chef der Nato-Truppen in Europa und Leiter der NATO-Operationen gegen Serbien und im Kosovo. Er ist Berater für die Bereiche Strategie- und Landessicherheit sowie Wirtschaftsfragen. Diese Ernennung zeugt vom gewachsenen Interesse der USA an dieser Region. Er soll die Interessen der USA durchsetzen und sein Bestes tun, um den wachsenden Einfluss Deutschlands und der EU in dieser Region, deren Entwicklung auch die Interessen Russlands berührt, aufzuwiegen.

Die Regierenden Rumäniens glauben, sich auf diese Weise in eine Schlüsselrolle manövrieren zu können. Die geographische Lage des Landes und die politische Situation in der Region wollen sie nutzen, um sich sowohl gegenüber Russland als auch gegenüber der EU und den USA aufzuwerten und sich als unverzichtbarer regionaler Faktor zu profilieren.

Tatsächlich gerät das Land dabei immer stärker in die politische, wirtschaftliche und militärische Abhängigkeit der USA und der EU-Mächte. Die Regierung verkündet zwar hohe Prinzipien der nationalen Interessen und der Eigenständigkeit ihrer Politik – aber immer mehr Analysen kommen zu dem Schluss, dass Rumänien mehr und mehr in die Lage einer Kolonie herabsinkt.

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"Truppen und Investoren", UZ vom 24. Juli 2015



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