Die Steuerreform in den USA sorgt bei den Regierungen der EU-Länder für Kummer. Die Finanzminister Deutschlands, Frankreichs, Britanniens, Italiens und Spaniens warnen in einem Brief an ihren US-Kollegen Steven Mnuchin vor massiven Störungen des weltweiten Handels durch die geplante US-Steuerreform. Die Regierung Donald Trumps hatte schon im Frühjahr ihre Vorschläge dazu unterbreitet. Ende November/Anfang Dezember haben der Senat und das Repräsentantenhaus eigene Vorschläge ausgearbeitet. Sie ähneln durchaus den Vorstellungen aus dem Weißen Haus. Das ist kaum erstaunlich, denn in beiden Häusern des Parlaments haben die Republikaner die Mehrheit.
Die Entwürfe des Senats und des Repräsentantenhauses müssen aber noch in Einklang gebracht werden. Donald Trump hatte versprochen, mit dem ersten großen Umbau des Steuersystems seit 1986 Bürger und Unternehmen erheblich zu entlasten. Die Entlastung der Unternehmen ist tatsächlich vorgesehen. Die Unternehmensgewinnsteuer (auf deutsch Körperschaftssteuer) soll von derzeit 35 Prozent auf einen Maximalsatz von 20 bis 22 Prozent gesenkt werden. Weil zugleich auch der Einkommensteuersatz für die größten Steuerzahler, also die Haushalte mit den höchsten Einkommen, deutlich gesenkt werden soll, ist die Vorhersage nicht verwegen, dass damit auch die Verschuldung des Staates dramatisch steigen wird. Sowohl Kritiker als auch Befürworter des Vorhabens verweisen auf die Steuerreform des US-Präsidenten Ronald Reagan (1981–1989). Er hatte massive Steuersenkungen für die Reichen und die Unternehmen vorgenommen und zugleich die Rüstungsausgaben des Staates deutlich erhöht. Die heute noch bestehende riesige Staatsverschuldung (von über 100 Prozent am BIP) und das enorme Defizit in der jährlichen Leistungsbilanz der USA sind ein Erbe von Reagans Reformen. Dennoch – oder weil damit die Umverteilung von unten nach oben richtig in Schwung kam – gilt Reagan in der veröffentlichten Meinung des Landes als einer der ganz großen US-Präsidenten.
Die Kritik an den geplanten Maßnahmen in den hiesigen Medien klingt ein wenig schal. Denn, anders als in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts, als die USA bei Steuerreformen zugunsten der Reichen und der Konzerne vorangingen, kann man dieses Mal konstatieren: Die EU-Länder und insbesondere Deutschland sind, was die Steuern betrifft bereits da, wo die USA noch hinwollen. In der EU sind die Unternehmenssteuern seit 2000 von über 30 Prozent auf knapp über 20 Prozent gesenkt worden. Die tatsächlich von den Unternehmen gezahlten Steuern sind in den USA fast doppelt so hoch wie in der EU. Umgekehrt ist die Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer), die die ökonomisch Schwachen stärker trifft, in den USA nur halb so hoch wie in der EU. Der Mehrwertsteuersatz ist in Deutschland zuletzt zu Beginn der vorletzten Großen Koalition um drei Punkte auf 19 Prozent angehoben worden.
Die fünf Finanzminister, darunter „unser“ Interimsfinanzminister Peter Altmaier stören sich nicht an den sinkenden Höchststeuersätzen für die Unternehmen. Sie ärgert eine in den Steuervorschlägen enthaltene Regel, die Importe der Unternehmen mit einer „Grenzausgleichssteuer“ belegt. Das ist eine Art Zoll, der von den in den USA tätigen Unternehmen auf Vorprodukte erhoben werden soll, die von Lieferanten oder auch eigenen Tochterunternehmen im Ausland stammen. Im Repräsentantenhaus wird dabei ein Zollsatz von immerhin 20 Prozent erwogen, der gute Chancen hat, Gesetzeskraft zu erlangen. Diese 20 Prozent auf die Importrechnung würden dabei auf die Steuerschuld der Unternehmen aufgeschlagen. Umgekehrt würden Exporte die Steuerschuld der Unternehmen um 20 Prozent der getätigten Exporte entlastet. Viele Importe in die USA würden sich damit nicht mehr rechnen, so dass US-Erzeugnisse bessere Marktchancen hätten. Das wäre ja auch der Zweck der Übung. Stark betroffen wäre Mexiko, aber auch deutsche Unternehmen, die zu den größten Importeuren in die USA zählen. Die fünf Finanzminister beschweren sich, dass die US-Pläne gegen die Regeln der Welthandelsorganisation WTO verstoßen und drohen in ihrem Brief mit Gegenmaßnahmen.
Das wird nicht einfach sein. Immerhin können die USA darauf verweisen, dass die Regeln in den EU-Ländern schon jetzt denen in den USA erst geplanten ähnlich sind. Die Mehrwertsteuer wird in Deutschland auf Importe als Einfuhrabgabe erhoben, und den Exporteuren wird die schon geleistete Mehrwertsteuer auf die Exportware erstattet. Klassische Exportförderung, wie sie in Trumps „America first!“ nachgeahmt werden soll.