Alles ist so viel schöner als vergangenes Jahr. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos 2017 waren die Eliten verstört. In diesem Jahr sind sie glücklich. Im vorigen Jahr war die Weltgemeinschaft aus Staaten und Großunternehmen verunsichert. Dieses Jahr ist die Welt wieder wie einst. Im vorigen Jahr war der Star der Veranstaltung ein gewisser Xi Jinping (Präsident der Volksrepublik China), co-starring war Angela Merkel. In diesem Jahr wurde die natürliche Ordnung wieder hergestellt. Xi schickte aus Peking nur seinen Wirtschaftsberater Liu He. Und Frau Merkel sagte zwar das Gleiche wie im vergangenen Jahr, wurde aber kaum beachtet. Der führende Mann der Freien Welt, der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika nimmt wieder die ihm gebührende Rolle ein. Emmanuel Macron, der Präsident Frankreichs, spielt brilliant die zweite Geige. Er macht alles richtig, er verkörpert den Konsens der Eliten, spricht fließend englisch. Ihm flögen die Herzen der Großkaufleute des Globus zu, wenn sie denn Herzen hätten.
Macron hat noch nie einen Fehler gemacht. Das ist bei Donald Trump wahrlich anders. Dieser Mann hat die Geschäftswelt und die ihr hörige gehobene Politikerkaste verunsichert. Er hat den Washington-Konsens in Frage gestellt. Er hat, um „America“ an die erste Stelle zu setzen und um „God‘s own country“ wieder groß zu machen, den Feinden dieses Landes mit neuen Kriegen gedroht. Das war vielleicht ungeschickt. Er hat aber außerdem dem Publikum zu Hause versprochen, zum Wohle der heimischen Industrie Einfuhrzölle gegen Waren aus Mexiko, China, Deutschland zu erheben. Das war nicht nur ungeschickt, sondern ein Verstoß gegen die Weltwirtschaftsordnung. Ihre Prinzipien heißen (zum Vorteil der Starken und zum Nachteil der Schwachen): Freier Warenhandel und freier Kapitalverkehr. Trump hat nicht nur geredet sondern auch gehandelt. Das gerade erst von seinem Vorgänger Barack Obama ausgehandelte Transpazifische Freihandelsabkommen (TPP) hat er gekündigt.
Den Pilgern nach Davos war es vor Jahresfrist so vorgekommen, als komme die ganze schöne Globalisierung an ihr Ende. Die alternativlose Integration von Märkten, Regierungen und Handel sollte unterbrochen werden. Der teuflische Steve Bannon, der abfällig über die „Party von Davos“ gesprochen hatte, war auf dem Sprung, Chefberater im Weißen Haus zu werden. Diesen Job ist er jetzt schon wieder los. Statt dessen fuhr jetzt mit Trump zum ersten Mal nach dem ihm verhassten Bill Clinton wieder ein Präsident der USA zum Stelldichein der Reichen und Mächtigen nach Davos. So war die Stimmung im Schweizer Kur- und Skiort bestens und die Spannung hoch, bevor der große Mann am letzten Tag der Veranstaltung kam und das Wort ergriff.
Er sprach, wie er sollte. Nicht in gewählten Worten wie Emmanuel Macron, aber doch so, dass es gefiel. Trump lud die versammelten Kapitalfunktionäre dazu ein, im kapitalistischsten Land der Welt zu investieren. „Nie war die Zeit besser, um einzustellen, zu wachsen und zu investieren“, sagte der Präsident und fügte hinzu: „Amerika ist der Platz zum Geschäftemachen“. Und das ist nicht etwa, wie sonst bei dem Herrn üblich, reine Werbung und hohles Geschwätz. Trump konnte auf die größte Unternehmenssteuersenkung seit Ronald Reagan verweisen. Sie ist nun verabschiedet. Die Steuer ist auf den Höchstsatz von 21 Prozent gesenkt worden. Das ist so schön wie im Steuerparadies der EU. Besonders nett ist es, dass auch rückwirkend Gewinne aus der Vergangenheit entlastet werden. Ähnlich wie damals, als Finanzminister Hans Eichel und sein Kanzler Gerhard Schröder die Steuer für Unternehmensgewinne in Deutschland senkten, fallen erhebliche Rückzahlungen des Fiskus bei den Großkonzernen an. Auch deutsche Konzerne zählen zu den Begünstigten.
Die deutschen Konzernchefs, die gern nach Davos kommen, waren schon vor Trumps Ankunft voll des Lobes für diese seine Steuerreform. Siemens-Chef Josef Käser (der sich als Amerikafreund Joe Kaeser nennt) hatte am Vorabend den US-Präsidenten zu seiner Steuerreform beglückwünscht und erklärt, angesichts der erfolgreichen Reform habe Siemens entschieden, eine neue Generation von Gasturbinen in den USA zu entwickeln. Die Gasturbinen gehören zur Kraftwerkssparte, in der Siemens weltweit wegen Nachfrageschwäche und Preisverfall rund 6900 Arbeitsplätze abbauen will, davon etwa die Hälfte in Deutschland. Schön für Joe war, dass er beim Werbedinner für den Wirtschaftsstandort USA direkt neben dem supercoolen Präsidenten sitzen durfte. Die anderen von der Einladung begünstigten Spitzenmanager deutscher Konzerne waren SAP-Chef Bill McDermott, Adidas-Vorstandschef Kasper Rorsted, Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger sowie Werner Baumann vom Chemiekonzern Bayer.
Die UZ, sonst immer nah am Ohr der Reichen und Mächtigen, konnte nicht in Erfahrung bringen, was bei Tisch geredet wurde. Unpassend wäre es wohl gewesen, wenn die Manager den Wunsch nach weiterer Steuersenkung für „ihre“ Unternehmen und deren Eigentümer auch in Deutschland an dieser Stelle vorgetragen hätten. Dafür sind andere Ansprechparner da, die gerade in Berlin um die entsprechenden Jobs verhandeln. Als Reagan in den 70er Jahren die Unternehmenssteuern senkte, wurden die Gewinne der Unternehmen in Deutschland noch mit über 50 Prozent besteuert. Der Wettbewerb der Staaten um die Gunst des Kapitals kam damals richtig in Schwung. Dass neuer Schwung zugunsten des Kapitals nun nötig sei, werden uns bald ökonomische Wissenschaftler, Verbandsvertreter, Journalisten und besonders kluge und folgsame Politiker erzählen.