Auch in Südafrika: USA nutzen Freihandel, um ihren Einfluss auszubauen

Trojanische Pferde

Von Georges Hallermayer

Der indische Ökonom und Globalisierungsapologet Jagdish Bhagwati bezeichnete das US-Gesetz AGOA schon bei seinem Erlass im Juni 2000 in der „Financial Times“ als „trojanisches Pferd für Afrika“ (Financial Times). Denn AGOA verpflichtet die Teilnehmerstaaten wie das Freihandelsabkommen TTIP keine Hürden für amerikanische Investitionen aufzubauen. Und seit der Aufnahme Südafrikas in die Reihen der BRICS-Staaten und den intensivierten freundschaftlichen Beziehungen zur Volksrepublik China steht die Allianz des aus der Befreiungsbewegung hervorgegangenen ANC, der Gewerkschaft Cosatu und der kommunistischen Partei SACP auf der Abschussliste.

AGOA steht für „African Growth and Opportunity Act“. Das Gesetz wurde im Jahre 2000 als Antwort auf den exponentiell steigenden Handel Chinas mit Afrika erlassen und Ende Juni 2015 um zehn Jahre verlängert. Es erlaubt fast 40 afrikanischen Ländern, rund 7 000 Produkte in die USA einzuführen. Zum Vergleich: Die Volksrepublik China, seit 2008 größter Exportmarkt für die „wenig entwickelten Länder“, gewährt seit dem G-20-Gipfel in Cannes 2011 allen ärmsten ­(LDC-) Ländern den Importzoll Zero für 97 Prozent aller Produkte – und zwar ohne Bedingungen.

Zum ersten Mal stellt die USA (TTIP-analoge) Gegenbedingungen. Südafrika müsse zollfreien Import insbesonders aus dem Agrar-Industrie-Sektor zulassen. Begründet wird das damit, das Südafrika kein Entwicklungs- sondern ein Schwellenland sei – diese Festlegung hatte Südafrika schon 1995 mit dem Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO akzeptieren müssen. Nicht genug, dass dies in den 90er Jahren zur Zerstörung von vielen arbeitsintensiven Industrieunternehmen in der Textil- und Bekleidungsbranche und im Haushaltsgerätebau geführt hatte. AGOA bedroht heute Zehntausende von heimischen Kleinbauern, Geflügelfarmern samt Familien und Arbeitern, wie der Vorsitzende der stramm neoliberalen Inkatha Freedom Party, Nsikayezwe Cebekhulu, der Regierung scheinheilig vorhält.

In der wirtschaftlichen Realität sind diese Vorgaben nur eine weitere Variante der imperialistischen Erpressung zu „Strukturanpassungen“. Im Übrigen: Nigeria, die Wirtschaftsmacht Nr. 1 in Afrika, werden solche Bedingungen nicht abverlangt. Denn Nigeria ist enger Wirtschafts- und Bündnispartner der USA (in Öl und Terror). Zunächst sah es so aus, als würde Südafrika einlenken. Aber eine Salmonellen-Epidemie in den USA gab dem kommunistischen Handelsminister Rob Davies zusätzliche Argumente an die Hand. „Die Verhandlungen drehen sich im Wesentlichen, soweit wir betroffen sind, um die öffentliche Gesundheit in Südafrika. Es ist auch entscheidend sicherzustellen, dass unsere Wirtschaft nicht durch unfaire Handelspraktiken zerstört wird“, so das ablehnende Statement des kommunistischen Partners SACP in der Regierungsallianz am 12. Januar.

Minister Rob Davies forderte, nicht Südafrika, sondern die USA müssten die von AGOA ausgeschlossenen Produkte benennen. Er sei sich nicht sicher, ob Wein dazugehöre, meinte er beruhigend in Richtung Weinindustrie. Wesgro, die offizielle Handels- und Investitionsförderagentur der Provinz Westkap fürchtete am 18. Januar um das Wohl der fast 180 000 Arbeiter in der Produktion von Wein und Zitrusfrüchten dort. Allerdings würden von dem etwa 4 Milliarden Euro umfassenden südafrikanischen Export in die USA nur 1,4 Milliarden Euro, also ein Drittel, unter AGOAs Zollfreiheit fallen, wie Minister Rob Davis in der Tageszeitung „mail & guardian“ vorrechnete.

Am 8. Januar meldete die Nachrichtenagentur agenceecofin, dass „in letzter Minute“ Pretoria und Washington eine Übereinstimmung getroffen hätten, die Barrieren für den Geflügelimport aufzuheben. Allerdings liegt der Teufel im Detail, sprich bei durch Subventionen ermöglichten Dumpingpreisen – was schon ein gewichtiger Streitpunkt bei den EU-Freihandelsabkommen mit den west- und zentralafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaften war – und in den von US-Seite zu erbringenden Nachweisen der gesundheitlichen Unbedenklichkeit, so dass wohl die von Obama gesetzte Frist bis zuletzt ausgeschöpft werden muss.

Ein Ende von AGOA brächte aber auch den USA ökonomische Nachteile, denn Südafrika hat wirtschaftlich nach wie vor eine dominierende Stellung auf dem Kontinent. Es gilt zusätzlich zu bedenken, dass Zulieferfirmen aus den Nachbarländern ebenso ausgeschlossen wären. Auch in USA sorgen sich speziell die Geflügelfarmer in Florida darum, ihre Jahresproduktion von 65000 Tonnen tiefgefrorener Geflügelreste profitabel absetzen zu können.

Noch am 5. November hatte Barack Obama gedroht, Südafrika aufgrund der Handelsbarrieren für Geflügel vom AGOA auszuschließen. Obama war aber mit weiteren Verhandlungen einverstanden, binnen 60 Tage die südafrikanischen Bedenken auszuräumen und gestand großzügig noch eine weitere Woche zu, also bis zum 15. März. Dann läuft das Ultimatum ab.

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"Trojanische Pferde", UZ vom 26. Februar 2016



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