Zu beneiden sind großen deutschen Automobilhersteller, ob im Südwesten oder im Norden, zurzeit tatsächlich nicht. „Zetsche vorgeführt“ brachte Lucas Zeise in der letzten UZ das Vorgehen des Bundesverkehrsministers gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden der Daimler AG, Jürgen Zetsche, bei der Auseinandersetzung um Dieselmotoren auf den Punkt. Und am letzten Wochenende titelte das „Handelsblatt“ hinsichtlich desselben Themas: „Es wird immer teurer für Volkswagen“.
Gleichzeitig droht der sich von Woche zu Woche mehr entfaltende Handelskrieg zwischen den USA und Europa bei weiteren Eskalationen vor allem diejenigen deutschen Autohersteller zu treffen, die einen ihrer wichtigsten Absatzmärkte weiterhin in den USA haben: Daimler und VW.
Zu diesen beiden Fronten gesellt sich seit Längerem eine dritte. Schlagzeilen macht vor allem der Machtkampf zwischen VW und der Zulieferer-Gruppe Prevent. Mit der Entwicklung von Kraftfahrzeugen als Massenindustrieware stellte sich bald die Frage, ob es den eigenen Profiten gut tut, alles von der Schraube über die Sitzbezüge bis hin zu den Motorblöcken im eigenen Unternehmen herzustellen oder ob es rentabler ist, zwar die Modellentwicklung und die Endfertigung in den eigenen Laboren bzw. Hallen zu behalten, viele der dazwischen notwendigen Herstellungsprozesse aber an Unternehmen auszulagern, die sich auf diese Zwischenprodukte spezialisieren und sogenannte ökonomische Skaleneffekte erzeugen können. Wenn eine Firma – wie z. B. Bosch – Lichtmaschinen nicht nur für eine Million Volkswagen herstellt, sondern zehn Millionen davon produziert, weil dieselben Bauteile auch in Daimler-, Opel-, Renault- und anderen Fahrzeugen weltweit verbaut werden, hat das für die Autohersteller zwei Vorteile: Sie können von den aufgrund der Massenproduktion günstigeren Preisen profitieren und sie können mit ihrer Käufermacht die Anbieter gegeneinander ausspielen und zum Beispiel zu Löhnen zwingen, die unter denen des Stammkonzerns liegen.
Die Kräfteverhältnisse zwischen Anbietern der Zwischenprodukte und den großen Autokonzernen sind – wie alles im Kapitalismus – ständig im Fluss.
Die Firma Prevent ist ursprünglich 1952 in Wolfsburg gegründet worden, um für den Käfer die Sitze herzustellen. Bis 2013 hat sie auch Daimler beliefert. Zwischen 1952 und heute hat sich viel getan – unter anderem hat Prevent nach der Zerschlagung Jugoslawiens eine bosnisch-herzogowinische Schwester bekommen: Die Prevent BH, die von der Familie Hastor kontrolliert wird. Seit Januar diesen Jahres gehört zur Prevent-Gruppe auch die Firma „Neuer Halbach Guss“ (NHG) in Saarbrücken mit einem 700 Beschäftigte zählenden Werk in Leipzig. Die Familie Hastor hatte den Eindruck, dass VW stärker auf ihre Teile – vor allem auf die Getriebeteile aus Leipzig und Saarbrücken – angewiesen sei als Prevent auf VW und vor ungefähr zwei Jahren die Preise auf diese Metall- und Gummikomponenten der VW-Motoren kräftig erhöht. Genaue Zahlen sind Geschäftsgeheimnis, aber seitens einiger VW-Manager wurde öffentlich beklagt, dass sie nun 900 Millionen Euro für etwas zahlen sollten, das sie noch vor nicht allzu langer Zeit für 90 Millionen Euro bekommen hätten.
Der Preiskampf führte zu Vertragskündigungen und die Kündigungen führten zu Schadenersatzklagen von Prevent gegen VW. Ende Mai hat VW – anders als an der Dieselfront – beim Landgericht Dortmund, wo über diese Schadenersatzklagen verhandelt wurde, immerhin die einstweilige Verfügung verhindert, Schadenersatz an Prevent zu zahlen. Juristisch ist die Angelegenheit damit auf die lange Bank geschoben.
Geschädigt sind auf jeden Fall jetzt schon 700 Familien in Leipzig. VW nämlich hatte parallel zu der zähneknirschend zunächst geschluckten Preiserhöhung nach alternativen Lösungen für ihre Getriebeversorgung geschaut und, als das Erfolg hatte, mit der Kündigung der Verträge indirekt bewirkt, dass Prevent den „lieben Kollegen“ der gerade erworbenen Halberg Guss verkündete, dass das Werk in Leipzig leider Ende 2019 geschlossen werden müsse. Seit letzten Donnerstag versucht die IG Metall mit Streiks, die Schließung abzuwenden – auch gegen den infamen, aber unter Kapitalisten üblichen Schachzug seitens Prevent, die Belegschaften im Westen und Osten gegeneinander auszuspielen. Originalton Prevent laut „MDR Sachsen“ am 14. Juni: Die Forderungen der IG Metall nach Übergangszahlungen und Sozialplänen seien so teuer, dass dann „auch das Werk in Saarbrücken in ernsthafter Gefahr“ sei.
Der für Außenstehende unübersichtliche Kampf von VW und Prevent zeigt vor allem eines: Nicht nur auf der internationalen Bühne, sondern auch unter den Kapitalisten selbst wird der Ton rauer und werden die Methoden rüder, mit denen um Einfluss und Profit gerungen wird. Ein Zeichen für die Souveränität einer geschichtlich prosperierenden und aufsteigenden Gesellschaftsordnung ist das jedenfalls nicht.