In Frankreich hat es gewisses Aufsehen erregt: Die Justizministerin Christiane Taubira, schon mehrfach durch „unkonventionelle“ Äußerungen hervorgetreten, aber auch wegen ihrer Herkunft aus Französisch-Guayana und ihrer dunklen Hautfarbe von Rechtsextremisten und Rassisten heftig befehdet und beleidigt, sprach in einem Fernsehgespräch davon, dass sie von einer Welt „träume“, in der die Menschen nur noch 32 Stunden pro Woche arbeiten. Und dies just am Morgen des gleichen Tages, an dem Regierungschef Valls im Parlament ein weiteres Mal die „Vertrauensfrage“ stellte, um damit eine sichere Mehrheit für die Durchsetzung des von Gewerkschaftern bekämpften und auch in der Regierungsmehrheit bei vielen ungeliebten „Loi Macron“ zu gewährleisten. Valls hat darauf umgehend reagiert, indem er betonte. man müsse doch „pragmatisch sein“ und „Dogmen aufgeben“.
Das „Loi Macron“ ist ein von dem früheren Banker und jetzigen Wirtschaftsminister Macron vorgelegtes Gesetz, das ein Sammelsurium von neuen Bestimmungen zum Abbau angeblicher „Hindernisse“ für das Wirtschaftswachstum und zur weiteren Deregulierung der Arbeitsverhältnisse enthält. Es entspricht ganz und gar neoliberalen Orientierungen und den Wünschen des Unternehmerverbandes MEDEF. Unter anderem wird darin das gesetzliche Verbot der Sonntagsarbeit ausgehebelt und mehr Sonntagsarbeit als bisher für zulässig erklärt. Um das gegen den Missmut und das Widerstreben eines Teils der Abgeordneten der eigenen Regierungsmehrheit durchzusetzen, hat Valls den Trick mit der „Vertrauensfrage“ (schon zum zweiten Mal in seiner Regierungszeit) benutzt. Denn damit werden die Abgeordneten, die sonst vielleicht gegen das Gesetz gestimmt hätten, zur Zustimmung „diszipliniert“, weil eine mehrheitliche Ablehnung der Vertrauensfrage automatisch den Sturz der Regierung zur Folge hätte.
Ministerin Taubira hatte am Morgen vor der Abstimmung in einem TV-Gespräch auf eine Frage nach der Sonntagsarbeit gesagt: „Ich träume von einer Welt, wo man am Sonntag nicht arbeitet, wo man am Samstag und Sonntag nicht arbeitet. Ich träume von einer Welt, wo man 32 Stunden arbeiten kann. Ich bin der Meinung, dass es ideal ist, wenn die Menschen 32 Stunden pro Woche arbeiten könnten. Um Zeit zu haben, sich den Mitmenschen in Vereinigungen zu widmen. Um Zeit zu haben, ins Museum zu gehen, um Zeit zu haben, wenn es möglich ist, an den Strand gehen, umherzuschlendern, zu wandern, mit seinen Nachbarn zu reden, in eine Bücherei, ins Kino oder Theater zu gehen usw. Das ist die Gesellschaft, von der man träumen kann“.
Der Vorgang ist zweifellos mehr als ein Wortgeplänkel zwischen der Ministerin und dem Regierungschef. Viele sehen darin ein weiteres, wenn auch ziemlich verklausuliert geäußertes Zeichen, wie weit das Unbehagen über den neoliberalen Regierungskurs von Hollande-Valls in den eigenen Reihen dieser Regierung verbreitet ist und wie fragil im Grunde die derzeitige Regierungsmehrheit ist, die nur noch mit Disziplinierungsmaßnahmen wie der Vertrauensfrage zusammengehalten wird.