Trauer, Wut – und Kumpanei

Die Verurteilung der Ermordung Kassem Soleimanis fiel bei den Verbündeten in der Region am deutlichsten aus. Syrien verurteile die „heimtückische, kriminelle amerikanische Aggression“, die zum Tode des iranischen Generalmajors geführt habe, so die syrische Nachrichtenagentur SANA mit Berufung auf das syrische Außenministerium. Die Wiederherstellung der staatlichen Souveränität und Integrität Syriens ist zu einem nicht geringen Teil das Werk des Al-Kuds-Kommandeurs. Auch in Syrien kamen Menschen auf öffentlichen Plätzen zusammen, um ihre Trauer bekunden.

In Irak war mit der Belagerung der US-Botschaft und dem Eindringen in die hermetisch abgeriegelte „Grüne Zone“ klargeworden, dass die Anwesenheit der US-Truppen und des US-Kommando-Apparates zunehmend als Besatzung wahrgenommen wird. Die US-Kollaborateure im irakischen Parlament konnten angesichts der Massenstimmung den Beschluss zum Hinauswurf der ausländischen Militäreinheiten nicht mehr verhindern. Sollte Donald Trump seinen Entschluss, trotzdem bleiben zu wollen, aufrechterhalten, so wären die US-Truppen auch hier eine nicht willkommene Besatzungsmacht.

Millionen Trauernde auf den Straßen offenbarten am deutlichsten die Stimmung in Iran. Die Führung in Teheran nannte den Mord einen Bruch des Völkerrechts. Dennoch gelang der iranischen Führung mit dem Angriff ballistischer Raketen auf US-Luftwaffenstützpunkte in Irak eine abgewogene, aber deutliche militärische Reaktion. Die Raketen trafen mit hoher Präzision die technischen Einrichtungen und Hangare, nicht die Wohnanlagen. Wie schon bei den Angriffen auf die saudischen Ölanlagen hatten sich die US-Abfangsysteme als wirkungslos herausgestellt. Das US-Militär kann Sicherheit in der Region für niemanden mehr garantieren. Damit wird eine erhebliche Kräfteverschiebung in der Region deutlich.

Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow sprach von einem „Bruch des Völkerrechts“ und einem „abenteuerlichen Schritt“. Das russische Militär kämpfte in Syrien zusammen mit Soleimanis Al-Kuds-Einheiten und der libanesischen Hisbollah gegen den IS, Al-Kaida und ihre diversen Ableger. Russland hat sich in den letzten Jahren als eine fähige Kraft und ein zuverlässiger Moderator in der Region profiliert. Zusammen mit dem ökonomisch mächtigen China werden die eurasischen Zentral-Mächte immer mehr als eine Alternative zum Krieg und Chaos verbreitenden US-Imperium wahrgenommen. Das chinesische Außenministerium wandte sich denn auch gegen „die Anwendung von Gewalt in den internationalen Beziehungen“ und mahnte alle Seiten, insbesondere die USA zur Zurückhaltung.

Die eigentlich interessante Frage aber lautete: Was macht die EU? Seit die US-Führung in den MAGA-Modus (Make America Great Again) geschaltet hat, sind die massiven Interessenskonflikte unter den „Verbündeten“, genauer: zwischen dem Imperium und seinen Vasallen, offen ausgebrochen. Die Aufkündigung des Atom-Deals mit Iran, die Sabotage von Nordstream 2, der ausufernde Wirtschaftskrieg auch gegen europäische Produzenten, die US-Forderung nach höheren Rüstungsausgaben, also Rüstungskäufen bei US-Firmen, haben die Basis der „Atlantischen Gemeinschaft“ massiv beschädigt. Bislang konnte sich die Europäer noch zu keiner substantiellen Eigenständigkeit durchringen. Wird die EU unter diesen Bedingungen bereit sein, dem Imperium auch bei seiner zunehmend abenteuerlich werdenden Politik im Nahen/Mittleren Osten zu folgen?

Man muss diese Frage leider mit einem klaren Ja beantworten. Zwar kann es sich kaum eine europäische Regierung erlauben, den Drohnen-Mord als Heldentat zu feiern, wie es die Trump-Regierung tut, aber in den Stellungnahmen wird letztlich immer der Iran für die Entwicklung hin zum Attentat verantwortlich gemacht. Der deutsche Regierungssprecher Seibert schob dem Iran eine ganze Reihe unaufgeklärter Ereignisse, von den Tankeranschlägen bis zu den Angriffen auf die saudischen Ölanlagen, in die Schuhe, um zu „beweisen“, dass der Iran selbst für die Ermordung seines Top-Generals verantwortlich ist. Forderungen wie die nach der Aufrechterhaltung des Atom-Deals werden vom deutschen Außenminister immer nur an den Iran adressiert. Ganz gleich, dass ja nicht Iran, sondern das US-Imperium aus dem Abkommen ausgestiegen ist. Die EU-Eliten sind und bleiben die willigen Helfer der US-Kriege und -Morde – auch wenn sie sich dabei selbst ins Knie schießen.

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"Trauer, Wut – und Kumpanei", UZ vom 17. Januar 2020



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