Die sozialistische und kommunistische Linke feierte die Novemberrevolution von 1918 und ihre fortschrittlichen Ideen als Folge des ersten Weltkrieges mit dem Sturz der Monarchie, den revolutionären Ideen der Rätebewegung und gedachte der Todesopfer. Die deutsche Sozialdemokratie und ihre Spitzenfunktionäre gedachten „Einhundert Jahre Republik“ oder – bezogen auf das Stinnes-Legien-Abkommen – „Einhundert Jahre Mitbestimmung“. Die revolutionären Ideen der gesellschaftlichen Umgestaltung, die hinter der Rätebewegung standen und die daraus resultierenden Kämpfe der Arbeiterbewegung der ersten Jahre der Weimarer Republik, werden dabei ausgeblendet. Die Betrachtung der Ereignisse macht damit deutlich, wo der Betrachter seine Zielstellungen sieht. So auch die Auseinandersetzung um das Betriebsrätegesetz von 1920. Hier musste weiten Teilen der revolutionären Arbeiterbewegung noch deutlicher werden, dass mit der SPD kein sozialistischer Staat zu machen war. Die Unzufriedenheit der Werktätigen mit den Planungen zum Betriebsrätegesetz brach sich am 13. Januar 1920 in einer von Massenstreiks begleiteten Demonstration vor dem Berliner Reichstag Bahn. An diesem Tag wurde der Gesetzentwurf im Reichstag beraten.
Der Zorn der Arbeiter ist nur vor dem Hintergrund zu verstehen, dass die Räte in Deutschland sehr weitreichende gesellschaftliche und wirtschaftliche betriebliche Mitbestimmung forderten. Die Massenstreiks in den Industriezentren im Frühjahr 1919 wurden nur abgebrochen, da die Regierung diesen Forderungen mit einem Sozialisierungsgesetz nachkommen wollte und die Arbeiten an einem Betriebsrätegesetz unter der Überschrift „Aufbau des Rätesystems“ begannen. Hier sollte den Betriebsräten die Aufgabe zukommen, den Einfluss der Arbeiter auf die Erzeugung oder die sonstigen Betriebszwecke zu verwirklichen – so die Versprechungen. Mit der Vorlage dieses Gesetzes und dem Leitsatz, dass der Betriebsrat den Arbeitgeber in der Erfüllung der Betriebszwecke zu unterstützen habe, wurde das Ansinnen völlig ins Gegenteil verkehrt. Die linke Opposition, bestehend aus USPD, KPD, Berliner Gewerkschaftskommission und der Betriebsrätezentrale, rief daraufhin am 13. Januar 1919 zur Demonstration vor dem Reichstag: „Zeigt den Erwählten in der Nationalversammlung, dass Ihr Euch nicht zu geduldigen Objekten der Gesetzgebung erniedrigen lassen wollt. Verlasst daher heute Mittag 12 Uhr die Betriebe! Demonstriert in Massen vor dem Reichstage! Beweist der Regierung und der herrschenden Gesellschaft, dass Ihr Euch die letzte Errungenschaft der Revolution, die revolutionären Betriebsräte, nicht rauben lassen wollt“, heißt es in dem Aufruf, und dieser wurde massenhaft erhört.
In den großen Fabriken der Hauptstadt wurde die Arbeit niedergelegt. Darunter waren die Belegschaften von AEG, Siemens, Schwarzkopf, Knorr-Bremse und Daimler. Genauso die Beschäftigten der Eisenbahnen, Kraftwerke und Straßenbahnen und vieler kleinerer Betriebe. Die Berichte zeigen, dass der Aufruf – entgegen aktueller Berichterstattung – nicht nur von radikalen Kreisen befolgt wurde, sondern alle Schichten in den Betrieben erreicht wurden. Große Demonstrationszüge marschierten mit roten Fahnen von ihren Betriebsstätten in die Innenstadt. Transparente trugen die Aufschrift „Hoch die Räteorganisation“ und „Her mit dem vollen Mitbestimmungsrecht“. Etwa ab 13 Uhr füllten sich der Platz und die Zufahrtsstraßen mit etwa 100.000 Menschen. Zum weiteren Verlauf schrieb der „Berliner Kurier“ in der vorigen Woche:
„Der preußische SPD-Innenminister Wolfgang Heine (1861–1944) war selbst vor Ort. Er ließ gegen die Demonstranten die Sicherheitspolizei aufmarschieren. Bei ihr handelte es sich um eine kasernierte, paramilitärische Truppe, die erst kurz zuvor aufgebaut worden war. Sie wurde zu einer der wichtigsten Einrichtungen der deutschen Sozialdemokratie im Kampf gegen das Weitertreiben der Revolution. Die Idee zu ihr stammte von Waldemar Pabst (1880–1970), der unter anderem die Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg am 15. Januar 1919 organisiert hatte. Die Sozialdemokratie war fest entschlossen, die Republik zu verteidigen. Gerade gegen die Linke. Sie schreckte dabei nicht vor härtesten Maßnahmen (…) und vor der Zusammenarbeit mit den reaktionärsten Kräften zurück.“ Diese Truppen feuerten mit Maschinengewehren auf die Demonstranten, ohne dass es dazu einen Anlass gab, und warf Handgranaten in die Menge. Es gibt keine Berichte, dass die Arbeiter zurückgeschossen hätten. Die Massen flüchteten in den anliegenden Tiergarten: 42 Tote und 105 Verletzte blieben zurück. Das Parlament unterbrach erst auf massiven Protest der USPD die Debatte zum Betriebsrätegesetz. Reichspräsident Ebert wiederum nahm diese Demonstration zum Anlass, den Ausnahmezustand zu verhängen, 44 linke Zeitungen verbieten zu lassen und zahlreiche Oppositionelle zu verhaften. Eine Folge ist auch das wenige Monate später beschlossene und bis heute bestehende Gesetz zur „Befriedung der Gebäude des Reichstages und der Landtage“, der sogenannten „Bannmeile“.
Am 4. Februar 1920 wurde das Betriebsrätegesetz erlassen, das in seinen Grundzügen Vorbild für die Betriebsverfassungsgesetze der späteren Bundesrepublik Deutschland sein sollte. Bis heute sind die Forderungen der Novemberrevolution nicht umgesetzt.