Gesundheit und Rente werden nicht finanziert

Tolles Ampelprogramm

Hier in extremer Kurzfassung das Regierungskurzprogramm der Ampel (Sondierungspapier), vorgelegt am vergangenen Freitag: Erstens ein Mindestlohn von 12 Euro binnen eines Jahres (Forderung der SPD); zweitens keine Steuererhöhung (FDP); ansonsten jede Menge Fortschritt, Modernisierung und Investitionen in Digitalisierung und Klimaschutz (alle, vor allem aber Grüne).

Lucas Zeise

Nun zu den Details, zunächst zum wichtigsten, den Finanzen: Die künftige Regierung will treu und brav, so heißt es im Sondierungspapier, „im Rahmen der grundgesetzlichen Schuldenbremse“ agieren. Dennoch wird es „keine neuen Substanzsteuern“ (= Vermögens- und Erbschaftsteuer) geben. Und es wird, wie vom kleinsten Partner FDP im Wahlkampf gefordert, keine Erhöhung der Einkommens-, Unternehmens- oder Mehrwertsteuer geben. Dieser selbst definierte Spielraum der neuen Koalition unter Olaf Scholz reicht deshalb vorn und hinten nicht.

Vielleicht helfen da ein paar Ratschläge von außerhalb. Hierzu ein längeres Zitat aus der „FAZ“ vom vergangenen Samstag: „Lars Feld und Marcel Fratzscher zum Beispiel. Der eine leitet das Walter-Eucken-Institut in Freiburg und genießt höchste Credibility (Glaubwürdigigkeit, LZ) in der ordoliberalen Ökonomenszene. Der andere, Präsident des DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) in Berlin, ist einer der neokeynesianischen Vorkämpfer seiner Zunft. Wenn es um Streitthemen wie die Schuldenbremse ging, waren die beiden wie Feuer und Wasser. Zumindest bisher. Jetzt haben sie zusammen einen Text verfasst, in dem Feld plötzlich offen für einen schuldenfinanzierten Fonds ist und Fratzscher seine Liebe zu regelbasierter Finanzpolitik offenbart.“ Hier bietet sich der Ausweg für Olafs neue Regierung. Um handlungsfähig zu sein, wird sie vermutlich im Haushalt des kommenden Jahres einen schönen großen Fonds einrichten, um dann ab 2023 brav innerhalb der Schuldenbremse ihre Aufgaben als Sachwalterin des Monopolkapitals einigermaßen erfüllen zu können. Durch einen oder mehrere solcher Fonds darf dann der Olaf-Scholz-Staat die aus Sicht des Kapitals dringendsten Investitionen für Digitalisierung, Elektromobilität, Stromtrassen und Autobahnen finanzieren.

Für die Finanzierung laufender Ausgaben bleibt kein Spielraum. Das ist verständlich, aber eine Katastrophe. Laut vorläufigem Ampelprogramm soll bei Rente, Gesundheit und sozialer Sicherung nur der bestehende Zustand einigermaßen erhalten werden. Dass schon das entweder höhere Staatsausgaben oder eine Neuverteilung der Belastung der Bürger erfordert, hatten SPD und Grüne ansatzweise erkannt. Deshalb hatten sie eine „Bürgerversicherung“ vorgeschlagen, die auch die höheren Einkommensklassen zur Kasse bittet, damit die Zweiklassenmedizin beendet und damit die Grundlage für ein rationales und effizienteres Gesundheitssystem gelegt werden könnte. Zu diesem Thema heißt es im Sondierungspapier der drei Parteispitzen lakonisch: „Die gesetzliche und die private Kranken- und Pflegeversicherung bleiben erhalten.“

Bei der Rente kommt es noch schlimmer: Die gesetzliche Rente soll zwar gestärkt, das Mindestrentenniveau von 48 Prozent gesichert werden. Auch werde es „keine Rentenkürzungen und keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben“. Aber statt einer Finanzierung all dessen soll die gesetzliche Rentenversicherung in eine „teilweise Kapitaldeckung … einsteigen“, wozu sie als Kapitalstock einen einmaligen Zuschuss von 10 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt erhalten werde. Die private Altersvorsorge soll „grundlegend“ – vielleicht mit einem öffentlichen Fonds – reformiert werden. Das klingt wie eine Drohung und das ist es auch. Schon die Riesterrente war von Gerhard Schröder und Walter Riester als „Einstieg“ angekündigt worden. Fußnote: Hartz IV soll künftig „Bürgergeld“ heißen. Mehr Geld für so etwas gibt es nicht.

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"Tolles Ampelprogramm", UZ vom 22. Oktober 2021



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