Israel bombardiert und blockiert weiter Gaza

Tödliche Selbstverteidigung

Die Bombardierung und Blockade von Gaza, die Angriffe auf israelische Siedlungen und auf israelisches Militär, die Kämpfe auf der Westbank gehen auch in der zweiten Woche weiter. Auch Damaskus und Aleppo wurden mehrmals bombardiert. Zu Redaktionsschluss dieser Ausgabe von UZ bleibt die große Frage für Israel, ob es im Norden zu einer zweiten Front kommt, ob die Hisbollah direkt in die Kämpfe eingreift.

In Gaza ist das Rettungswesen zusammengebrochen. Krankenwagen wurden von israelischen Flugzeugen gezielt zerstört, andere mussten wegen Treibstoffmangels aufgrund der Blockade stillgelegt werden. Krankenhäuser können ihre Patienten nicht mehr versorgen, die Toten müssen teilweise in Massengräbern bestattet werden. Hunderttausende Palästinenser suchen Schutz bei den UN-Schulen – auch dort gibt es kein sauberes Wasser mehr. Ohne Wasser, Strom und Lebensmittel herrscht in Gaza eine humanitäre Katastrophe. Sie wird vom Westen achselzuckend hingenommen.

Immer wieder erreichen Raketen der Hamas das Umland des Gazastreifens und sogar Tel Aviv. Das liegt vor allem daran, dass der „Iron Dome“ in der aktuellen Situation vor allem auf Beschuss aus dem Norden reagieren soll. Würde die Hisbollah aktiv in den Krieg eingreifen, würden sehr viel mehr Raketen auf Israel abgefeuert als aus Gaza. Diese Drohung nimmt Israel ernst, sie verzögert den Beginn einer möglichen Bodenoffensive. Und obwohl die Hisbollah auf israelischen Beschuss entschieden geantwortet hat, dreht sich hier die Spirale der Eskalation vorerst langsam.

Weitgehend im Schatten der Kämpfe um Gaza bleibt die Situation auf der Westbank. Dutzende Palästinenser wurden hier in der ersten Woche des Krieges getötet, mehr als 1.000 verletzt, Hunderte verhaftet. Die Armee provoziert in zivilen Wohngebieten und rüstet auch Siedler mit Waffen aus, die dann ihrerseits Checkpoints errichten. Ungeklärt ist der Verbleib vieler Palästinenser aus Gaza, deren Arbeitserlaubnis in Israel mit Kriegsbeginn zurückgezogen wurde.

Für Benjamin Netanjahu wird der Krieg zu einem politischen Debakel. Die Armee war verstärkt auf der Westbank eingesetzt, um Siedlungen und ihren weiteren Ausbau zu schützen, Warnungen vor einem Angriff wurden ignoriert.
Die Reaktionen im Westen waren vorhersehbar. Auch angesichts der humanitären Katastrophe in Gaza beharren die Regierungen überwiegend auf dem Mantra „Israel hat das Recht, sich zu verteidigen“. An Waffenlieferungen fehlt es dabei nicht. In der Region sieht es anders aus. Forderungen nach humanitären Korridoren für Hilfslieferungen und nach einem Waffenstillstand sind an der Tagesordnung. Ein russischer Vorschlag für einen Waffenstillstand erhielt im Sicherheitsrat der UN lediglich vier Stimmen bei sechs Enthaltungen und fünf Gegenstimmen.

Wie sehr die USA in den Konflikt involviert sind, zeigt die stundenlange Teilnahme des US-Außenministers Antony Blinken an einer Sitzung des israelischen Kriegskabinetts und der bevorstehende Besuch Joseph Bidens in Israel – und die Vorbereitungen von US-Soldaten, die logistische und medizinische Unterstützung bieten sollen.

Der Druck der arabischen Öffentlichkeit ist stark genug, um Saudi-Arabien zu einer Unterbrechung der Friedensverhandlungen mit Israel zu bewegen. Und selbst Katar ermöglicht das Treffen zwischen dem Vorsitzenden der Hamas, Ismail Haniyya, und Irans Außenminister Hossein Amir-Abdollahian. Doch zu einer gemeinsamen Reaktion der Arabischen Liga oder der Organisation für Islamische Zusammenarbeit kam es bisher nicht. Zu unterschiedlich sind die Interessen der dort vertretenen Staaten.

Der Krieg, der als Versuch begann, palästinensische Gefangene gegen Israelis auszutauschen, kann völlig außer Kontrolle geraten.

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"Tödliche Selbstverteidigung", UZ vom 20. Oktober 2023



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