Der Verlust der Arbeitsplätze wird die Beschäftigten in der Automobilbranche und ihre Familien hart treffen. Selbst bei ihren vergleichsweise hohen Einkommen ist das Geld fest verplant. Langfristige Kredite für Wohnungen oder die Mietkosten, monatliche Ausgaben für Kitaplätze oder indirekte Schulkosten wie Fahrkarten und Essensgeld, Pflegekosten für Eltern und Großeltern – all das bricht zusammen, wenn man den Arbeitsplatz verliert. Ob die Kinder noch den Sportverein besuchen können oder mit auf die Klassenfahrt fahren, muss dann abgewogen werden.
Viele der in Deutschland arbeitenden Menschen sind schon heute auf soziale Hilfen, Angebote und ein Auffangen durch die Gesellschaft angewiesen. Gleichzeitig findet eine der größten Kürzungsorgien der jüngeren Geschichte statt. In der Krise werden nicht nur Produktionskapazitäten abgebaut und in der Folge Arbeitsplätze, sondern auch soziale Errungenschaften. Viele spüren: mit unserer Gesellschaft geht es bergab. In der Konkurrenz um die geringer gewordene Konsumtionskraft wird alles geschleift, was einer günstigeren Produktion im Weg steht. Es muss länger, härter und vor allem billiger gearbeitet werden.
Im staatsmonopolistischen Stadium des Kapitalismus haben die Monopole eine solche Machtstellung erreicht, dass die vorherigen Mechanismen der Reduzierung der Preise, des Abbaus von Waren und Konkurrenz nicht mehr voll zur Geltung kommen. Über diese Machtstellung sichern sie sich Subventionen und Staatsaufträge, die ihre Profite sichern. Hier erfüllt die Rüstungsproduktion gleich mehrere Funktionen. Sie schafft die Voraussetzung, auch künftig Zugriff auf Rohstoffe und Märkte in aller Welt zu haben, aber sie garantiert auch sichere Profite in Krisenzeiten. Da ist es kein Wunder, dass auch Arbeitsplätze in der wachsenden Rüstungsindustrie als „Sicherheit in Krisenzeiten“ verkauft werden.
Vor allem in der Automobilbranche haben Vorschläge zur gezielten Vermittlung freigewordener Arbeitskräfte in die Rüstungsindustrie Konjunktur. Zwischen dem Zulieferer Continental und Rheinmetall gibt es eine Kooperation, um überschüssige Beschäftigte an den Waffenhersteller abzugeben. Der Bahnkonzern Alstom will mit dem Waggonwerk Görlitz gleich einen Standort an den deutsch-französischen Rüstungskonzern KNDS übergeben. Weitere Rüstungskonzerne haben Bedarf angemeldet, aber man könne natürlich auch nicht alle übernehmen.
Allerdings ist es mit der „Sicherheit“ so eine Sache, wenn weiter zum Krieg getrieben wird. Es könnte der letzte sein. Das Kind kann dann womöglich noch einmal auf Klassenfahrt, bevor es als Kanonenfutter an die Front geschickt wird. Für viele sind die angebotenen Arbeitsplätze dennoch ein Strohhalm, nach dem sie greifen werden. Das Leben ist teuer und von staatlicher Seite ist nichts zu erwarten. Kann man ihnen daraus einen Vorwurf machen? Nein, denn wenn man sich und seine Familie ernähren muss, kann man sich die Frage nach der Moral nur schwer stellen. Individuelle Verweigerung hilft weder gegen Arbeitsplatzabbau noch gegen Kriegsvorbereitung.
Was hilft, ist eine organisierte Kraft, die den Abbau unserer Arbeitsplätze stoppt und den Grund für die Existenzsorgen bekämpft. Diese Kraft, die Gewerkschaften, machen es sich allerdings unnötig schwer, wenn sie sich damit begnügen, den Übergang der Arbeitsplätze zu begleiten. Was hilft, ist eine Organisierung gegen Krieg und Krise und gegen die Umstände, die uns in diese Situation gebracht haben. Sichere Arbeitsplätze und eine sichere Zukunft müssen wir uns selbst holen, einen anderen Weg gibt es nicht.