Die Skandalserie über faschistische und rassistische Netzwerke in Polizei und Bundeswehr reißt nicht ab. Bei Anhängern der als faschistisch geltenden Gruppierung „Nordkreuz“ fand die Polizei Munition, die aus Beständen der nordrhein-westfälischen Polizei stammen soll. Dabei handelt es sich um 55.000 Schuss Munition, die laut Oberstaatsanwältin Claudia Lange von der Staatsanwaltschaft Schwerin „für die Polizei in Nordrhein-Westfalen hergestellt worden war“. „Unter welchen Umständen die Munition in fremde Hände gelangt ist, wissen wir noch nicht. Das ermitteln die Staatsanwaltschaft Schwerin und das Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern“, sagte Leoni Möllmann, Sprecherin des NRW-Landesinnenministeriums dem „Westfalen-Blatt“. Die Spur führt jedoch zu einem privaten Schießplatz, auf dem auch Spezialeinheiten aus NRW trainiert hatten. Eine Reihe von Waffen, darunter auch eine Maschinenpistole, Gewehre und Pistolen stellten Behörden in Mecklenburg-Vorpommern bereits vor längerer Zeit sicher.
In der Gruppe „Nordkreuz“ sollen sich eine Reihe ehemaliger Bundeswehrsoldaten, Reservisten und Polizeibeamte zusammengeschlossen haben und maßgeblich in Mecklenburg-Vorpommern aktiv sein. Darunter sollen sich auch Polizisten befinden, die zuvor beim „Spezialeinsatzkommando“ (SEK) waren. Die Gruppe wird der sogenannten „Prepper-Szene“ zugeschrieben, die sich auf einen ominösen Tag X vorbereitet, um dann die Macht an sich zu reißen und politische Gegnerinnen und Gegner gezielt zu ermorden. Zu diesem Zweck hatten Nordkreuz-Anhänger bereits „Feindeslisten“ über potentielle Opfer angelegt.
Die „Nordkreuz“-Gruppe ist kein Einzelfall. So leiteten die Behörden allein in Berlin im vergangenen Jahr 17 Disziplinarverfahren gegen Polizisten ein. Die Beamten sollen „eine rechtsgerichtete oder rechtsextremistische Gesinnung oder Motivation bei Tatbegehung“ gezeigt haben. In Hessen treibt ein Netzwerk von mindestens 16 Beamten ihr Unwesen, die alle im Zusammenhang mit der Aufklärung rechtsextremer Strukturen innerhalb der hessischen Polizei stehen. Diese waren im Zusammenhang mit „NSU 2.0“ durch Morddrohungen gegen eine Frankfurter Rechtsanwältin aufgefallen.
Es sei erschütternd, dass immer mehr Polizistinnen und Polizisten unter den Verdacht des Rechtsextremismus gerieten, sagte Hermann Schaus, Innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Hessischen Landtag. Explizit bei der Polizei sei dies hochgefährlich und dürfe nicht weiter verharmlost werden. Schaus unterstrich, dass es sich nicht um „Einzelfälle“ handele. Selbst der „Bund Deutscher Kriminalbeamter“ fordert, wissenschaftliche Studien zu „extremistischen Einstellungen“ bei der Polizei in Auftrag zu geben.
Ulla Jelpke, Innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, warnte: „Das Massaker von Hanau hat die Gefahr des Rechtsterrorismus wieder auf schreckliche Weise deutlich gemacht. Tausende gewaltbereite Neonazis, selbsternannte Bürgerwehren und wahnhafte Reichsbürger erweisen sich hier als tickende Zeitbomben.“