Ende August diese Jahres äußerte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Thyssenkrupp Steel, Tekin Nasikkol, Besorgnis über Beeinträchtigungen für Stahlkocher, die durch die Stahlfusion mit dem indischen Multikonzern Tata entstehen könnten: „Wenn Arbeitsplätze von Thyssenkrupp zum Joint Venture verlagert werden, darf es nicht zur Verschlechterung für die Beschäftigten oder einer Aufweichung von Tarifstandards kommen.“
Die Sorge des Betriebsrates ist mehr als berechtigt. Zahlreiche Stahlarbeiter, vorwiegend vom Hauptwerk Duisburg, werden zum neuen Gesamtunternehmen wechseln. Der Sitz der Verwaltung wird in Amsterdam angesiedelt. Im Nachbarland ist die Montanmitbestimmung nicht bindend. Die IG Metall darf mitreden, aber nicht mitbestimmen.
Die zugesagte Sicherung der Arbeitsplätze bis 2026 ist in Frage gestellt, sollte das Unternehmen erwartungsgemäß an die Börse gehen. Tarifstandards sind längst nicht gesichert. Eine empfindliche Zäsur gegenüber hart erkämpften Errungenschaften von Arbeitern an Rhein und Ruhr scheint unausweichlich.
Zeitgleich zu Tekin Nasikkols Verlautbarung meldeten sich Nachfahren der Krupp-Familie zu Wort. Auch sie sind ernsthaft besorgt, aber nicht etwa aus Solidarität mit den um ihre Existenz bangenden Stahlarbeitern. Der Familienrat der Krupp-Nachfahren, bestehend aus Diana Friz und ihren Vettern Friedrich und Eckbert von Bohlen und Halbach, sorgen sich um die Geschicke des Konzerns. Die anhaltenden Turbulenzen bei Thyssenkrupp könnten sich nachteilig auf ihre Apanage fürs Nichtstun auswirken.
So steht denn auch zu befürchten, dass der Geldsegen für die Krupp-Sprösslinge Einbußen erleiden könnte. Das wollen sie keinesfalls hinnehmen. Als Familienrat besitzen sie kein Mandat in der Krupp-Stiftung. Dennoch stellen sie jetzt die Forderung, über alles informiert und gehört zu werden.
In einem Zeitungsinterview Mitte September erreichte die Öffentlichkeit wiederum eine besorgte Stimme. Es ist die des neuen RAG-Stiftungsvorsitzenden Bernd Tönjes, der sich zur Führungskrise bei Thyssenkrupp äußerte: „Das kann niemanden, der in der Region Verantwortung hat, kalt lassen. Thyssenkrupp ist ein Unternehmen, das Identität stiftend ist im Ruhrgebiet. Mit rund 160 000 Mitarbeitern weltweit ist Thyssenkrupp für Nordrhein-Westfalen von überragender Bedeutung. Insofern ist es wichtig für die Region, dass es dem Unternehmen gut geht.“
Ex-Konzernchef Heinrich Hiesinger, kürzlich mit einer millionenschweren Abfindung aus seiner Verantwortung entlassen, hatte vor rund einem Jahr gegenüber Belegschaft und Betriebsrat zugesichert, dass im Zuge der Stahlfusion „lediglich“ 2 000 Arbeitsplätze abgebaut würden. Auch sollten die sieben Stahlstandorte erhalten bleiben. Diese Aussagen sind Schnee von gestern: Im September kündigte der amtierende Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff eine „harte Sanierung“ an, darunter drastische Einschnitte im Anlagenbau.