Am 21. April erklärte der Landessprecherrat der Kommunistischen Plattform in der Partei „Die Linke“ Thüringen zu dieser Abstimmung des Thüringer Landtages: „In der Beratung des Thüringer Landtages am 20. April 2016 zum Tagesordnungspunkt, Einbringung des Gesetzesantrages für die Einführung des 17. Juni als Gedenktag für die Opfer des DDR-Unrechts in Thüringen. Steffen Dittes, Stellvertretender Landesvorsitzender der Partei ‚Die Linke’.Thüringen und Innenpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion ‚Die Linke’, hielt zur Einbringung die Rede.
Mit dieser Rede von Steffen Dittes und dem Ergebnis der Beschlussfassung im Thüringer Landtag ist eine neue Qualität in der weiteren Auseinandersetzung mit der Geschichte der DDR durch die Koalitionsregierung erreicht worden.
Damit wurde ein langfristig durch die Regierungskoalition angestrebtes Ziel erreicht.
Wenn es um die Auseinandersetzung mit der Geschichte der DDR geht, das lehrt diese Abstimmung, herrscht Einigkeit von der ‚Linken’, die die Vorlage liefert, über SPD, Grüne, CDU bis AFD.
Es gab nur eine Gegenstimme (84 von 85), die unserer Genossin Scheringer Wright. Wir sind mit ihr solidarisch.
Die Erklärungen und Briefe von Vorständen sowie von Genossinnen und Genossen aus der Parteibasis, unsere Stellungnahmen und persönlichen Gespräche, waren Wind in den Ohren derjenigen, die mit dieser Beschlussfassung des Thüringer Landtages ihr Ziel erreicht haben.
Welche Wirkung dies, und vor allem auch die Rede von Steffen Dittes an der Parteibasis findet, wird die Zukunft zeigen.
Mit einer erforderlichen differenzierten Auseinandersetzung zur Geschichte der SED und der DDR an einem 20. April (!) hat das wenig zu tun.
Es ist die in der Präambel zum Koalitionsvertrag formulierte Geschichtsaufarbeitung, die sich nunmehr im konkreten Handeln niederschlägt.
Jedoch es ist, wie die Diskussion um den ‚Bericht der Landesregierung zu Stand und Weiterentwicklung der Aufarbeitung der SED-Diktatur in Thüringen’ vom 23. Februar 2016 zeigt, eine Geschichtspolitik, die mit Positionen der ‚Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur’ voll und ganz im Einklang steht.
Für eine einseitige Betrachtung der Geschichte sind wir nicht zu haben.
Unsere Auffassung zur Geschichte hat eine andere Grundlage, im kritischen aber auch ehrlichen Umgang mit dem was in 40 Jahren DDR von den verschiedenen Generationen der DDR-Bürger geleistet wurde. Dazu gehören nach unserem Verständnis auch Fehler, Fehlentscheidungen und begangenes Unrecht, in einer differenzierten Betrachtung.
Das haben wir, seit der Landesbasiskonferenz in Sömmerda im Herbst 2014 bis zu dieser heutigen Erklärung immer wieder deutlich gemacht.
Dabei wird es bleiben.“
Vor einem „Kotau“ hatte die Kommunistische Plattform, ihr BundessprecherInnenrat und die Thüringer Genossinnen und Genossen, Ende September 2014 nach dem Wahlsieg der eigenen Partei gewarnt. Doch die Partei „Die Linke“ stimmte in Thüringen mit großer Mehrheit für eine Koalition mit der SPD und den Grünen. Zum ersten Mal wurde mit Bodo Ramelow ein Vertreter der Linkspartei zum Ministerpräsidenten eines Bundeslandes gewählt.
Eine Chance für mehr soziale Gerechtigkeit? Da fällt die Bilanz bislang sicher widersprüchlich aus. Positiv ist, dass der 8. Mai als Tag der Befreiung zum Gedenktag wurde.
Aber vor allem bei der „Aufarbeitung von DDR-Unrecht“ – „Kernbestandteil der Regierungsarbeit“ – hat man seitdem „Fortschritte“ erreicht. Bereits mit dem Koalitionsvertrag übernahmen oder akzeptierten nämlich die Vertreter der Linkspartei in der Regierung – und offenbar auch die Mehrheit ihrer Landtagsabgeordneten – die Sichtweise von SPD und Grünen auf die Geschichte. Diese hatten sich damit durchgesetzt in der Präambel des Koalitionsvertrages die Behauptung aufzunehmen, dass es sich bei der DDR um eine „Diktatur“ und einen „Unrechtsstaat“ gehandelt habe. Damals erklärte die Kommunistische Plattform: „Dies ist keine Kritik an der DDR, sondern die diffamierende Absage an die Legitimität ihrer Existenz von Anbeginn.“
Im März 2015 beschloss die Thüringer Landesregierung eine interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) „zur Unterstützung und Weiterentwicklung der Aufarbeitung der SED-Diktatur in Thüringen einzurichten“.
In einem Bilanzbericht der Landesregierung vom 23. Februar 2016 hieß es: „Die Aufarbeitung der SED-Diktatur, aber auch der kommunistischen Willkür in der SBZ bleibt mehr als ein Vierteljahrhundert nach deren Überwindung und durch den Freiheitswillen der Bürgerinnen und Bürger, der in der Friedlichen Revolution mündete, eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“ Die heutige verklärende „Erinnerung an den Alltag der SED-Diktatur gilt es daher mit der historischen Wirklichkeit zu konfrontieren und die Menschen zur Auseinandersetzung damit anzuregen. Die Herausforderung ist, dies ohne Entwertung individueller Lebensleistung zu erreichen, nur so kann ein Großteil der Bevölkerung Thüringens für den Dialog erreicht werden.“ Betont wird darin, dass nicht nur die zuständige Staatssekretärin, sondern auch der Ministerpräsident die Auseinandersetzung mit der Geschichte nachhaltig durch engagierte Beiträge in den Medien und bei öffentlichen Veranstaltungen fördert. „Beide sind häufiger und gefragter Gast bei Veranstaltungen der Initiativen, Vereine und Einrichtungen der Aufarbeitung.“
Am 20. April wurde nun in Richtung „Aufarbeitung“ ein weiterer Schritt gegangen. Im Thüringer Landesparlament wurde an diesem Tag „über das zweite Gesetz zur Änderung des Thüringer Feiertagsgesetzes zur Einführung des 17. Juni als Gedenktag“ abgestimmt und das Gesetz mit 84 von 85 Stimmen angenommen. Ausgerechnet ein Vertreter der Partei „Die Linke“, der stellvertretende Landesvorsitzende und innenpolitische Sprecher der Fraktion Stefan Ditters, hatte den Antrag mit einer arg simplifizierenden und zudem einseitigen Sicht auf den 17. Juni 1953 und die DDR begründet, die die historische Situation 1953 – und damit auch den Kalten Krieg – teils völlig ausblendete oder unzulässig im Schnelldurchgang verkürzte. Auch er benutzte mehrfach den Begriff „Diktatur“.
Natürlich ist all das für ihn keine Anbiederung an die anderen Parteien und damit an den antikommunistischen „Zeitgeist“. Doch ein wirkliches Bemühen um differenzierte Analyse der Nachkriegsgeschichte, um die Einordnung der DDR in die Geschichte und um Aufklärung sieht anders aus.