Am vergangenen Freitag rückte Ost-CDU-Parteifreund Professor Dr. Günther Krause, der sich 1990 als DDR-Verhandler von Wolfgang Schäuble den Anschlussvertrag diktieren ließ und von Helmut Kohl kurzzeitig als Verkehrsminister gehalten wurde, bevor er ihn politisch schlachtete, standesgemäß in einem Rolls-Royce in die RTL-Sendung „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“, bekannt als Dschungelcamp, ein. Eine Blaskapelle spielte die deutsche Nationalhymne, der Bertelsmann-Sender dürfte zu diesem Zeitpunkt dem Mehrfachpleitier bereits finanziell aus dem Gröbsten geholfen haben, Schweinesperma oder Känguruhoden müsse er nicht zu sich nehmen, war vorab versichert worden. Mehr als sechs Millionen Deutsche schauten zu, der Marktanteil unter den 14- bis 49-Jährigen habe bei mehr als 40 Prozent gelegen, meldete der Sender zufrieden. Die sogenannte Privatisierung des Fernsehens war eine der ersten Amtshandlungen Helmut Kohls als Bundeskanzler gewesen. Es lässt sich annehmen, dass die von ihm ermöglichten Konzernanstalten keinen kleinen Anteil daran hatten, dass wenige Jahre danach die DDR beseitigt war und Kohl 16 Jahre Kanzler blieb.
Sause-Krause, wie ihn der Volksmund liebevoll nennt, verließ das Vorzeigestück bundesdeutscher Hoch- und Massenkultur nach wenigen Stunden, hatte aber für seine gute Bekannte Angela Merkel eine frohe Botschaft: „Liebe Angela, liebe Angie, falls du zusiehst, ich werde wieder richtig gesund. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Du wirst mich nicht los!“ Die CDU weiß, was sie an RTL, RTL weiß, was es an der CDU hat.
Krauses Genesung war noch nicht in den Schlagzeilen der deutschen Qualitätsmedien, da traf sich am Sonntagabend Ex-Bundespräsident Joachim Gauck mit Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow und dem CDU-Landeschef Mike Mohring zum Essen, um eine „Projektregierung“ in Erfurt auf den Weg zu bringen. Die hatte Gauck bereits Anfang Oktober, mehr als drei Wochen vor der Landtagswahl, angekündigt. Wahlen werden eben überschätzt. Die Zeit für eine Koalition mit der AfD sei „noch nicht gekommen“, dozierte er in der „Welt“, also müsse mit der Linken geredet werden.
Der Rest war Routine. Die Thüringer wählten wie von Gauck gepredigt, der Koalition aus Linke, SPD und Grünen fehlen vier Stimmen zur Mehrheit im Landtag, die CDU-Führung in Berlin zierte sich – nein, mit der Linken reden wir nicht – und Ramelow verkündete regelmäßig, er werde sich Anfang Februar 2020 wiederwählen lassen. So wird es sein. Am Donnerstag kam‘s ins Fernsehen: Ramelow saß bei Markus Lanz, der im ZDF einen Ableger des RTL-„Star“camps betreibt, und wollte gemeinsam mit Mohring den Thüringer Wald retten. Am Freitag einigten sich die Erfurter Koalitionäre auf einen „Zukunftspakt“, der unter anderem vorsieht, den Verfassungsschutz auszubauen. Vorher hatte die Partei „Die Linke“ ihn auflösen wollen. Am Sonntag gab es Futter von Gauck, am Montag trafen sich Linkspartei, SPD und Grüne mit CDU und FDP in Erfurt und erklärten anschließend, die Chose heiße nicht „Projektregierung“, aber man werde bei Projekten zusammenarbeiten. Die „taz“ schrieb zum Gruppenfoto: „Fast schon Buddys“, die Linke-Ko-Vorsitzende Katja Kipping hieß die Unterstützung durch die CDU „herzlich willkommen“.
Was es bei Gauck zu Essen gab ist unbekannt. Schlachteplatte mit Thüringer Knackwurst wäre angebracht gewesen. Angela Merkels Aussaugpolitik, mit der sie die SPD-Selbstentleibung verwertet hat, richtet sich nun auf die willige Linkspartei. Mohring meint, dass schon beim Haushalt für 2021 Schluss mit Projekten sein könne. Macht aber nichts. Bis dahin hat die Partei „Die Linke“ in Erfurt die „Sozialistische Plattform in der CDU“ gebildet, Gauck streicht das „noch“ vor „nicht mit der AfD“. Die deutsche Bourgeoisie will ihn und die Höcke-Partei nämlich so wenig loswerden wie Angela Merkel den Günther Krause.