Eine herausragende Persönlichkeit der Reformation, deren 500. Wiederkehr dieses Jahr begangen wird, ist Thomas Müntzer, an dessen Wirken am 15. Mai zu erinnern war. An diesem Tag fand 1525 bei Frankenhausen in Thüringen die entscheidende Schlacht des großen deutschen Bauernkrieges statt, bei der das von ihm geführte Bauernheer eine Niederlage erlitt und damit die revolutionären Volkserhebungen zu Ende gingen.
Die letzte Schlacht
Der etwa 8 000 Mann zählende Haufen hatte auf einer Anhöhe, die heute noch Schlachtberg heißt, eine Wagenburg gebildet und sich dahinter verschanzt. Das angreifende Heer der vereinten Fürsten mit dem Landgrafen von Braunschweig und dem Herzog von Sachsen an der Spitze zählte über 10 000 erfahrene Kriegsknechte, viele beritten, und eine große Zahl Geschütze. Das Kräfteverhältnis war jedoch nicht nur zahlenmäßig ungleich. Der Thüringer Haufen besaß bei weitem nicht die Kampfkraft, über welche die oberschwäbischen und fränkischen oder später die Tiroler Bauern verfügten und dem Truchsess zeitweise schwere Niederlagen beibrachten. Die Müntzerschen waren auch schlecht bewaffnet und wenig diszipliniert, hatten nicht viele gediente Soldaten in ihren
Reihen, hatten nur acht Geschütze sowie kaum militärisch erfahrene Führer.
Die Fürsten setzten auf ihre bereits in den vorangegangenen Kämpfen praktizierte Taktik. Sie boten Verhandlungen an und schlossen einen vierstündigen Waffenstillstand, um dann noch vor dessen Ablauf wortbrüchig Müntzers Wagenburg zusammenzuschießen und zu überrennen. Im Lager schwankte die Stimmung. Unterhändler der Fürsten hatten gegen Kapitulation und Auslieferung Müntzers und seiner Hauptleute allen Bauern Amnestie versprochen. Ein adliger Führer der Bauern und ein Priester sammelten Anhänger, um Müntzer auszuliefern und die Wagenburg zu übergeben. Müntzers Einfluss war jedoch stärker, so dass eine Mehrheit des Haufens die beiden Verräter zum Tode verurteilte. Sie wurden enthauptet. Müntzer wandte nunmehr seine ganze Beredsamkeit auf und mahnte seine Brüder, den so oft wortbrüchigen Fürsten nicht zu glauben, ihre Tyrannei nicht zu vergessen. Deutlich fragte er aber auch, ob sie seine Person nicht doch den Fürsten überantworten möchten. Aber alle schrien, so berichteten die Chronisten, „Nein, nein; tot oder lebendig wollen wir hie beinander bleiben.“ „So will Gott denn nicht“, rief ihnen Müntzer zu, „dass ihr Frieden mit den Gottlosen machen sollt. Fechtet unerschrocken und tröstet euch göttlicher Hilfe.“ Laut und vielstimmig antwortete der Haufen: „Frisch dran und dreingeschlagen und gestochen und der Bluthunde nicht geschont.“ Ein Regenbogen, Symbol der Fahne der Bauern, soll am Himmel erschienen sein und ihnen Siegeszuversicht gegeben haben.
Während der Haufen feierlich die Melodie anstimmte „Komm, Heiliger Geist, Herre Gott“, um sich zur Schlacht zu weihen, überschütteten die Geschütze der Fürsten eine Stunde vor Ablauf der Waffenstillstandsfrist das Lager mit einem todbringenden Hagel ihrer Geschosse. Unmittelbar danach brach ihre Reiterei in die Wagenburg ein und begann unter den überraschten Bauern ein furchtbares Gemetzel. Ein Teil, so heißt es, „wehrte sich wild und tapfer gegen die ansprengenden Reisigen, brachte Wunden und Tod über sie, bis er durch die Überzahl überwältigt wurde.“ Viele flüchteten, um in Frankenhausen Zuflucht zu suchen, setzten sich anhaltend immer wieder zur Wehr. Mit den Flüchtigen drangen indessen auch die Kriegsknechte in die Stadt ein und richteten unter den Bauern ein furchtbares Gemetzel an. Wilhelm Zimmermann schrieb in seinem „Großen Deutschen Bauernkrieg“ (Dietzverlag, Berlin/DDR 1952): „Alles, was den Reisigen aufstieß, wurde niedergehauen; in und um Frankenhausen war nichts als Jammer und Blutvergießen; selbst in den Kirchen und Klöstern und in den Häusern wurde gewürgt und geplündert; der durch die Stadt fließende Bach wälzte sich als Blutbach fort. Fünftausend Bauern waren auf dem Feld und in der Stadt erschlagen, und die Fürsten, des Blutes noch nicht satt, ließen noch 300 Gefangene, ohne Untersuchung der Schuld oder Unschuld, unter das Rathaus führen und sie enthaupten.“
Müntzer, selbst verwundet, wurde gefangen und zwölf Tage grässlich gefoltert. Herzog Georg und die anderen Fürsten waren zugegen und weideten sich an seinen Qualen. Am Ende der Torturen brachte man ihn auf einen Leiterwagen geschmiedet nach Mühlhausen, wo er den „Ewigen Rat“ gebildet hatte. Die Fürsten ließen es sich nicht nehmen, auch seinem Tod zuzuschauen. Müntzer lehnte jeden Widerruf ab und klagte sie im Angesicht des Todes nochmals unerbittlich an. Ein später verbreiteter „Widerruf“, schrieb Hans-Jürgern Goertz, war „durch und durch manipuliert worden“. Seine letzten Worte sind wie folgt aufgezeichnet worden: „Die Fürsten sollen fleißig in der Heiligen Schrift lesen, zumal in den Büchern Samuelis und der Könige, dort werden sie Beispiele genug finden, was Tyrannen für ein Ende nehmen, und darin mögen sie sich wohl spiegeln.“ Die Chronik vermeldet weiter: „Dann fiel der Streich, sein Rumpf wurde aufgespießt, der Kopf am Schadeberg auf einen Pfahl gesteckt.“ Man schrieb den 27. Mai 1525. Müntzer, dessen Geburtsjahr nicht genau bekannt ist, es war 1489 oder 1490, wurde kaum 35 Jahre alt.
Mit der Niederlage bei Frankenhausen und dem Tod Müntzers gingen die großen Bauernerhebungen in Deutschland zu Ende. Es folgten noch Aufstände im Elsass, in Tirol und Salzburg und einzelne Erhebungen in der Schweiz, die ebenfalls mit dem Sieg der feudalen Kräfte und Gegnern der Reformation endeten.
Der Bauernkrieg: Höhepunkt der frühbürgerlichen Revolution
Der mit dem ersten großen Aufstand unter Hans Böheim, dem Pfeiferhänslein von Niklashausen, begonnene deutsche Bauernkrieg war entscheidender Bestandteil und zugleich Höhepunkt der frühbürgerlichen Revolution, die bereits plebejische Züge zeigte. Der einen historischen Fortschritt verkörpernde Protestantismus verlieh ihr eine religiöse Verkleidung, stellte, wie Franz Mehring schrieb, „den ideologischen Überbau einer ökonomischen Entwicklung, die sich in der mannigfaltigsten Weise vollzog“, dar. In den Erhebungen der Bauern kam zum Ausdruck, dass es darum ging, das wirtschaftlich und politisch überlebte Feudalsystem zu überwinden und den Weg frei zu machen für eine bürgerliche Gesellschaft. Als die am meisten Ausgebeuteten und Unterdrückten wurden die Bauern zur entscheidenden Triebkraft dieser Revolution und Thomas Müntzer ihr herausragendster politischer Führer und radikaler Ideologe der Reformation, die sich gegen die Abhängigkeit von Rom, gegen die Vorherrschaft der römisch-katholischen Kirche als Zentrum des Feudalsystems richtete.
Aus dem Kleinbürgertum, einer Handwerkerfamilie kommend, studierte Müntzer Theologie, promovierte zum Magister und bildete bereits 1513 in Magdeburg eine gegen die fürstliche Macht gerichtete konspirative Handwerkervereinigung, studierte in Prag die Erfahrungen der Hussiten und wirkte unter anderem als Geistlicher in Weißenfels, Aschersleben und Braunschweig. In Zwickau kam er als Prediger 1520/21 mit den plebejischen Schichten (Bergknappen) und der unter ihnen tätigen chiliastischen Sekte der Wiedertäufer des Tuchmachers Nikolaus Storch (genannt Pelargus) zusammen. Hier fand Müntzer den Weg zu den einfachen Menschen und schuf seine geistliche Lehre, nach der Gott stets und überall zu seinen Auserwählten spricht und das vom Geiste des lebendigen Gotteswortes geläuterte Volk die Umgestaltung des irdischen Lebens in seine Hand nehmen muss.
Während Luther sich von seinen gewaltsamen Predigten abwandte und sich auf die Seite der Fürsten schlug, führte Müntzer, der ursprünglich zu seinen aktivsten Mitstreitern gehörte, nunmehr die eigene Sicht einer radikalen kirchlichen und politischen Erneuerung zur Abkehr von diesem. Im März 1523 ermöglichte ihm die Übernahme einer Pfarrstelle in Allstedt bei Halle den Gottesdienst zur Gewinnung der Gläubigen zu nutzen. Hier heiratete er im selben Jahr die ehemalige Nonne Ottilie von Gersen, mit der er einen Sohn hatte. In Allstedt, das zum „Gegenwittenberg“ und Zentrum der reformatorischen Bewegung wird, entstehen Müntzers wichtigste politische und theologische Schriften, so die „Deutsch-evangelische Messe“, „Deutsches Kirchenamt“, „Protestation oder Entbietung“ und 1524 die „Fürstenpredigt“, eine flammende Anklage gegen das blutsaugerische Feudalsystem.
Im März 1524 gründet Müntzer den „Allstedter Bund“, den er zu einer die Bauern einigenden Organisation gestalten wollte. Im Herbst reist er nach dem Schwarzwald, wo sich unter seinem Einfluss der dort ausgebrochene Bauernaufstand radikalisiert. Anfang 1525 kehrt er nach Thüringen zurück. Auf seine Initiative wird in der Reichsstadt Mühlhausen der „Ewige Rat“ geschaffen, das Modell einer politischen und sozialen Umgestaltung. Müntzer vereinigt mehrere Thüringer Haufen und hofft, Thüringen zum Zentrum der vereinigten Bauernbewegung zu machen. Er wirbt für das Bündnis mit den städtischen Schichten und eröffnet Ende April einen erfolgreichen Feldzug gegen die Feudalherren im Eichsfeld.
Am 11. Mai trifft Müntzer in Frankenhausen ein und übernimmt die Führung der dort versammelten Haufen. Hier vollendet sich das Schicksal dieses furchtlosen revolutionären Führers der Bauern und der Volksreformation, der frühzeitig zum „Gegenspieler“ Martin Luthers wurde und mit seinen kühnen Gedanken seiner Zeit weit voraus war. Friedrich Engels schrieb über ihn und seine Epoche: „Es gab eine Zeit, wo Deutschland Charaktere hervorbrachte, die sich den besten Leuten der Revolutionen anderer Länder an die Seite stellen können, wo das deutsche Volk eine Ausdauer und Energie entwickelte, die bei einer zentralisierten Nation die großartigsten Resultate erzeugt hätte, wo deutsche Bauern und Plebejer mit Ideen und Plänen schwanger gingen, vor denen ihre Nachkommen oft genug zurückschauderten“. (F. Engels: Der deutsche Bauernkrieg, In: MEW, Bd. 7)
Wer im Jubiläumsjahr nach Leserstoff sucht, dem sei das fulminante Werk des Vorsitzenden der Thomas-Müntzer-Gesellschaft, Hans-Jürgen Goertz, emeritierter Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Universität Hamburg, empfohlen: Thomas Müntzer. Revolutionär am Ende der Zeiten. Verlag C. H. Beck, München 2015. Goertz vergisst nicht darauf zu verweisen, dass Müntzer zum gepflegten historischen Erbe in der DDR gehörte und schreibt, einen Revolutionär wie Müntzer kannte „im östlichen Teil Deutschlands später jedes Schulkind“. Nach ihm „wurde die thüringische Stadt benannt, in der er zuletzt gewirkt hatte, Mühlhausen: Thomas-Müntzer-Stadt. Arbeiterbrigaden und landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften, Schulen und Straßen trugen seinen Namen.“ Und der Verfasser stellt gegenüber: „Im westlichen Teil Deutschlands war Müntzer kaum bekannt. Kein Denkmal erinnerte an ihn und kein Platz.“ Bleibt abzuwarten, ob sich daran im Jubiläumsjahr etwas ändern wird.