„Einsamkeit hat viele Namen und mehr als ein Gesicht.“ Diese zu Recht vergessenen Zeilen schluchzte in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ein zu Recht Vergessener in willige Mikrofone. „Ich habe gesagt, geh‘ wenn du willst, darauf bist du gegangen.“ Kennte Theresa May die Schnulze, sie würde sie in diesen Tagen rauf und runter trällern. Bei den Brexit-Verhandlungen kann sie es niemandem mehr Recht machen. Nur noch 130 Tage – und schweißnasse Nächte – bis zum geplanten Inkrafttreten des Scheidungsvertrags zwischen Europäischer Union und dem von ihr regierten Feuchtbiotop, das aus alter Feudaltradition noch mit dem hochtrabenden Namen Großbritannien strunzt. Die vormals besten Freunde sind Frau May schon aus der Regierung desertiert und nun sieht sie sich eingekeilt zwischen EU-Befürwortern in der eigenen Partei und den Brexiteers, verstärkt durch die nordirischen Sektierer, mit denen sie koaliert hat. Was passiert mit der Grenze zwischen EU-Mitglied Irland und Nordirland, offen oder zu? Soll Britannien in der Zollunion verbleiben, bis eine Lösung für dieses Problem gefunden ist? Beides lehnen die letzten Freunde ab. Jetzt stellt sich also die Frage, wer plumpst eher? May aus dem Prime-Minister-Sessel oder Britain ohne Deal aus der EU? Und dann: „… die endlose Zeit ohne dich – die Zeit ohne dich.“
Theresa May
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