Thema verfehlt

Thea Berg zum Aufruf des DGB zum 8. März

Der diesjährige Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Internationalen Frauentag macht mich fast sprachlos. Die Überschrift lautet: „2019 Europawahl: Geht wählen!“

Er beginnt mit dem Hinweis, dass am 26. Mai das neue „Europäische Parlament“ gewählt wird und fährt fort: „Wir Frauen im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) rufen alle Wahlberechtigten auf, mit ihrer Stimme die demokratischen Kräfte in Europa zu stärken.“

Nun ist ja nichts dagegen einzuwenden, die „demokratischen Kräfte in Europa“ zu stärken, aber was soll dieser Aufruf aus Anlass des Internationalen Frauentags? Und soll ich den Kampf um die längst überfällige Gleichstellung der Frau nun führen, auf diesen Wahltag zu warten und dann mein Kreuzlein machen zu dürfen?

Und dann wo? Die DGB-Zeitschrift „Einblick“ hält es in ihrer März-Ausgabe für wichtig, „bei der Europa-Wahl progressive Kräfte zu stärken“. Gut, das beziehe ich mal auf meine Partei, auf die DKP. Aber ob die Autoren uns auch meinten?

Wohl eher nicht, denn spätestens mit den nächsten Aussagen des DGB-Aufrufes rasseln wir da aufeinander: „Die Europäische Union ist eine Gemeinschaft für Frieden und Wohlstand.“

Diese EU steht nicht für Frieden. Das Militär der EU steht weltweit dort, wo es um die Profitinteressen des westeuropäischen Kapitals geht. Und über den Raubzug der EU auf den „Wohlstand“ der griechischen Bevölkerung werden die griechischen Kolleginnen am Internationalen Frauentag wohl schwerlich Lobeshymnen anstimmen. Sie werden sich dagegen verwahren, „dass in den Mitgliedstaaten die Benachteiligung von Frauen abgebaut, ihre Gesundheit geschützt und ihr Recht auf Selbstbestimmung gestärkt wird“.

In dem Aufruf heißt es weiter, Europa sei ein Motor der Gleichstellungspolitik und ein Bollwerk gegen den Antifeminismus der Rechtspopulisten. Und dann heißt es völlig richtig: „Wo demokratische Errungenschaften geschliffen werden, stehen auch sicher geglaubte Frauenrechte wieder in Frage.“

Aber die Angriffe auf unsere sozialen und demokratischen Rechte ist – leider – nicht auf die „populistischen und nationalistischen“ Parteien reduziert. Der größte Angriff auf das bundesdeutsche Sozialsystem war die Agenda 2010, beschlossen von einer SPD/Grünen- Regierung unter lautem Beifall der damaligen CDU/CSU-Opposition.

Von diesem Sozialraub, von Niedriglöhnen und unsicheren Lebens- und Arbeitsbedingungen profitierte nicht nur das Kapital – und vor allem uns Frauen treffen prekäre Arbeit und Armutsgrenzen. Es lockerte auch den Boden für die Demagogie von AfD und anderer Rechtskräfte, die die Verunsicherung großer Teile der Bevölkerung in Stimmen umwandeln möchte.

Diesen Frauentagsaufruf haben die Frauen unseres Landes nicht gebraucht. Die Gewerkschafterinnen wissen, dass frau sich ihre Rechte erkämpfen muss. Dass haben nicht zuletzt die aktuellen Tarifkämpfe gezeigt.

Es gibt noch viel zu erkämpfen, bis wir die Gleichstellung erreicht haben und auch ein friedliches „Europa“, was allen Frauen Wohlstand bringt. Diese EU wird das nicht sein.

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"Thema verfehlt", UZ vom 8. März 2019



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