Nach dem Verfassungsreferendum bleibt das Land politisch gespalten

Thailands neue Verfassung kommt aus den Gewehrläufen

Von Gunter Willing

Seit letztem Sonntag ist nun klar, dass sich eine Mehrheit der Bevölkerung beim Referendum in Thailand für die neue Verfassung ausgesprochen hat. Diese hebelt alle progressiven Ansätze vorangegangener Grundgesetze aus – rund 60 Prozent der Wähler stimmten dafür. „Bekommt das Land nun eine „Demokratie“ unterhalb allgemein anerkannter Normen?“, fragte dieser Tage die halbstaatliche „Myanma Alinn Daily“ aus dem benachbarten Myanmar, dem ehemaligen Burma.

Das thailändische Militär hat seine Macht, in Übereinstimmung mit den ultrakonservativen Eliten Bangkoks, verfassungsrechtlich abgesichert. Keine Regierung kann nun gegen dieses Machtkartell regieren. Damit wurden aus 15 Jahren Thaksin-Regierungen Konsequenzen gezogen. Thaksin Shinawatra, milliardenschwerer Unternehmer und Newcomer aus Thailands Norden, sicherte seine Macht gegen die alten Eliten, indem er mit sozialpolitischen Maßnahmen auf die arme Landbevölkerung zuging. Die wählte ihn mehrmals, dann seinen Schwager und anschließend seine Schwester Yingluck. Es entstand die Massenbewegung der Rothemden, die sich 2010 für die Fortsetzung und Weiterentwicklung dieser Politik mit Polizei und Militär verlustreiche Kämpfe lieferte.

Laut der neuen Verfassung kann nun ohne parlamentarischen Mehrheitsbeschluss das Amt des Premierministers besetzt werden. Dazu müsste lediglich die Hälfte der Unterhausabgeordneten eine Person nominieren und anschließend die Zustimmung zu dieser Personalentscheidung vom Senat einholen. Die Senatoren ihrerseits werden nicht durch allgemeine und direkte Wahlen gewählt, sondern von gesellschaftlich herausragenden Gruppen ernannt. Einige Senatssitze sind von vornherein für führende Militärs reserviert.

Mit der Ausarbeitung des Verfassungsentwurfs betraute die Militärjunta eine kleine Gruppe landesbekannter ultraroyalistischer Staats- und Verfassungsrechtler, nachdem die gewählte Regierung von Yingluck Shinawatra im Mai 2014 weggeputscht worden war. Jede konträre Diskussion dazu wurde in den folgenden Monaten als Desinformation der Bevölkerung und als gegen die nationale Sicherheit gerichtet kriminalisiert und mit mehrjährigen Gefängnisstrafen bedroht. Mehr als 100 Thais wurden verhaftet. Hunderttausende Lehrer, Verwaltungsbeamte, Bürgermeister und Militärangehörige wurden aufs Land abkommandiert, um den Massen „Nachhilfeunterricht“ zu geben.

Erklärt wurde, dass die neue Verfassung endlich die landesweite Korruption beseitigen wird, da nunmehr die Macht der gewählten Volksvertreter zugunsten ernannter guter Menschen, der Senatoren, eingeschränkt werden wird.

Angesichts des Drucks ist es schon bemerkenswert, dass nicht 80 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung, wie von der Militärjunta angenommen, sondern nur 58 Prozent überhaupt zur Wahl gingen und fast zehn Millionen Thais gegen den Verfassungsentwurf gestimmt haben. Im gesamten Nordosten Thailands überwogen die Nein-Stimmen. Auch vier Provinzen im Norden lehnten die Verfassung ab.

Das trifft auch auf Thailands tiefen Süden zu. Die muslimischen Provinzen Pattani, Narathiwat und Yala, wo seit Jahren der Ausnahmezustand herrscht und sich das Militär blutige Kämpfe mit militanten Separatisten liefert, sagten „Nein“. Mehr noch: Gerade während der Abstimmung erfolgten zahlreiche Bombenangriffe, unter anderem auf Transporter mit Wahlunterlagen und auf ein großes gummiverarbeitendes Unternehmen in Yala.

Kann man die mehrheitliche Zustimmung zur neuen Verfassung als Unterstützung für die gegenwärtigen Militärmachthaber werten? Sicher nicht. Viele, die mit „Ja“ gestimmt hatten, wollen endlich den Weg freihaben für Wahlen, die im nächsten Jahr kommen sollen. Trotzdem ist der Ausgang des Verfassungsreferendums für alle demokratischen Kräfte Thailands eine Niederlage. Es zeigte sich, dass der Thaksin-Clan nicht in der Lage ist, sich an die Spitze der thailändischen Demokratiebewegung zu stellen. Auch die Führung der Rothemden verschliss sich in innerfraktionellen Scharmützeln und hatte kein schlüssiges Konzept zur Vereinigung der vielen kleinen Gruppen und Einzelkämpfer, die sich voneinander isoliert gegen ein undemokratisches Verfassungsprojekt aufopfernd einsetzten.

Die prodemokratische Rothemdenbewegung ist seit dem letzten Putsch immer noch demobilisiert. In der Vergangenheit zeigte sich aber, dass in ihr viel sozialpolitisch verändernde Kraft stecken kann.

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"Thailands neue Verfassung kommt aus den Gewehrläufen", UZ vom 12. August 2016



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