Die gegenwärtige Debatte zum Vorschlag des Bundesfinanzministers zur Rabattierung von Spritpreisen aus der Staatskasse lässt tief blicken. Zum einen zeigt sie, dass sich die Herrschenden hinsichtlich der Wirkung des medialen Dauerfeuers zur Herstellung einer ideologischen Einheitsfront gegen Russland nicht wirklich sicher sind. Zwar berichtete die „FAZ“ am 17. März beruhigend, „eine Mehrheit der Deutschen ist bereit, mehr für Heizen und Autofahren auszugeben, wenn dadurch der Druck auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin erhöht werden kann“. Aber der Höhepunkt der Folgen der Sanktions- und Boykottpolitik gegen Russland ist mit der gegenwärtigen Preiswelle an den Lebensmittelkassen und Zapfsäulen möglicherweise noch nicht erreicht. Umfragen können auch Momentaufnahmen sein, die bald ganz anders aussehen können.
An zwei Grundpfeilern soll bei allem jetzt hörbaren Knirschen im Regierungsgetriebe nicht gerüttelt werden: Das ist zum einen die Entschlossenheit, jede weitere Verschärfung des Wirtschaftskrieges gegen Russland mitzugehen, den die USA, die NATO und die EU ausgerufen haben. Das schließt die Rückkehr zu Abhängigkeiten von arabischen Fossilbrennstoffen ein, von denen sich Deutschland in den 1970-er Jahren befreit hatte, und beinhaltet die Hinwendung zu noch stärkerer Abhängigkeit von den USA. Zum anderen wird niemand dort oben ernsthaft die satten Profite beschneiden wollen, die gegenwärtig alle Energiekonzerne einfahren, egal ob sie die Verbraucher nun mit Strom, Gas, Benzin oder Heizöl versorgen.
Das Festhalten an Bündnis- und Monopoltreue hat seinen Preis, den vor allem Lohnabhängige, Arbeitslose, Studierende und Rentenbezieher zahlen werden. Ob es auf Dauer gelingt, die massiven Einschränkungen von Lebensqualität und Mobilität komplett Moskau in die Schuhe zu schieben, entscheidet sich auch an der Fähigkeit linker Kräfte, ihrerseits zwei Grundpfeiler ihrer Politik in massenwirksame Aktivitäten zu verwandeln: Zum einen die Einsicht, dass eine Verschärfung internationaler Spannungen den arbeitenden Klassen noch nie genützt, sondern immer Leid und Elend gebracht hat, und zum anderen wirksame Aktionen, um die Konzerne als Krisengewinnler in den Mittelpunkt zu rücken. Wäre die Kampagne „Energiepreisstopp-jetzt“ nicht schon erfunden, müsste sie jetzt gestartet werden.