Wie die Bundesregierung zum massenhaften Schnelltest-Betrug eingeladen hat

Testen ist gut, Kontrolle ist besser

Inzwischen ermitteln Staatsanwälte gegen betrügerische Unternehmer, die Geld für Corona-Schnelltests verlangt hatten, ohne sie durchzuführen. In der vergangenen Woche berichteten WDR, NDR und „Süddeutsche Zeitung“, wie ein Bochumer Immobilienunternehmer offenbar gefälschte Abrechnungen über seine Testzentren erstellt hat – und dass die Behörden kaum kontrollieren, ob für die gezahlten einigen hundert Millionen Euro auch wirklich getestet wird.

Die Betrugsfälle, über die die Medien nun berichten, zeigen, wie weit der Spielraum ist, den die Bundesregierung den Unternehmern lässt, die sie für die Corona-Schnelltests bezahlt. Nachdem die Regierung im März beschlossen hatte, kostenlose Tests für alle zu bezahlen, haben private Anbieter zehntausende Testzentren eröffnet. Der Staat gibt im Monat inzwischen fast 700 Millionen Euro für Corona-Tests aus, Anfang des Jahres waren es noch 140 Millionen.

Ob die Testzentren für dieses Geld die entsprechende Leistung in der nötigen Qualität erbringen, wollte die Bundesregierung bisher nicht kontrollieren. Die Landesregierungen hielten sich ebenfalls nicht für zuständig. Die Kassenärztlichen Vereinigungen wickeln die Zahlungen an die Testzentren ab – sie haben keinen Auftrag, zu kontrollieren, ob die berechnete Leistung auch erbracht wurde. Auf die Berichte über Betrugsfälle reagierte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) damit, stärkere Kontrollen anzukündigen. Durchführen sollen das vor allem die bereits überlasteten örtlichen Gesundheitsämter. Sicher gab sich Spahn, dass es sich um „Einzelfälle“ handele. Dazu ließ er auf Twitter wissen: „Egal ob bei Masken oder beim Testen – jeder, der die Pandemie nutzt, um sich kriminell zu bereichern, sollte sich schämen.“

Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ berichtet, dass es neben der betrügerischen Abrechnung weitere Anlässe für Kontrollen in Testzentren geben könnte: Von wenig Sorgfalt beim Testen, schlecht geschulten Mitarbeitern, fehlender Schutzausrüstung spreche der Leiter des Kölner Gesundheitsamtes. Die Corona-Testverordnung war eine Einladung an Geschäftemacher ohne Bezug zum Gesundheitswesen, so schnell wie möglich Zentren zu öffnen.

Dabei hatte die Regierung sich vorher Zeit gelassen. Im frühen Herbst 2020 waren die Antigen-Schnelltests in immer größeren Mengen auf den deutschen Markt gekommen. Erst Anfang März begann die Regierung damit, Antigen-Schnelltests zu fördern, um massenhaft auch ohne Verdacht auf eine Corona-Infektion zu testen. Dann allerdings versprach Spahn die Tests so schnell, dass zur Vorbereitung kaum noch Zeit blieb. Als in den Unionsparteien noch um die Kanzlerkandidatur gekämpft wurde, passte es auch dem CSU-Generalsekretär Markus Blume, Spahns Fehler zu benennen: Er habe „zu spät, zu langsam, zu wenig“ Tests bestellt.

Der Betrug in den Testzentren zeigt ein Muster, das aus der Pandemie-Politik der Bundesregierung bekannt ist: Nach längerem Warten überstürzte Maßnahmen, Chaos der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, Kommunen und Krankenkassenbürokratie, großzügige Zahlungen an Geschäftemacher aller Branchen.

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"Testen ist gut, Kontrolle ist besser", UZ vom 4. Juni 2021



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