Israel treibt Siedlungsbau im Jordantal voran

Terrorlisten und Baugenehmigungen

Die israelische Regierung lässt 1.300 neue Wohneinheiten in den besetzten Gebieten der Westbank bauen, zusätzlich zu den 2.000, die im August bereits genehmigt waren. Zugleich soll die Zahl von mehreren tausend israelischen Siedlern im eigentlichen Jordantal in den nächsten Jahren verdoppelt werden. Palästinenser werden aus Jerusalem vertrieben und sechs palästinensische NGO als vorgebliche Unterstützer terroristischer Organisationen gebrandmarkt.
Die Entscheidung, Organisationen wie das Bisan-Zentrum, das sich für die Rechte von Bauern in Palästina einsetzt, oder die Union der palästinensischen Frauenkomitees als Terrorunterstützer zu kennzeichnen, wurde international zunächst nicht mit Begeisterung aufgenommen. Der Sprecher des US-Außenministeriums betonte, eine starke Zivilgesellschaft sei so wichtig – und die US-Regierung sei nicht vorab von der israelischen Entscheidung informiert worden.

Innerhalb der israelischen Regierungskoalition steigen auch deshalb die Spannungen. Verkehrsministerin Merav Michaeli von der Arbeitspartei kritisierte die Art und Weise, wie die Entscheidung bekannt gemacht wurde. Die Partei von Verteidigungsminister Benjamin Gantz schoss zurück: Michaeli solle sich nicht in den Krieg gegen den Terror einmischen, von dem sie die Details nicht kenne.
Mittlerweile wird nachgebessert. Eine hochrangige Delegation des israelischen Sicherheitsapparats wird die Entscheidung in Washington nachträglich erläutern.
Die 1.300 neuen Wohneinheiten sind bereits zum Bau ausgeschrieben. Mehrere Tausend weitere sind geplant und müssen zunächst noch von den zuständigen Sicherheits- und Baubehörden genehmigt werden. Um sie errichten zu können, gibt das israelische Verteidigungsministerium 9.000 weitere Arbeitserlaubnisse für Palästinenser aus. Die insgesamt 120.000 Palästinenser, die in Israel oder den Siedlungen arbeiten, verdienen sehr viel mehr, als sie in den Gebieten unter palästinensischer Kontrolle mit der horrenden Arbeitslosigkeit erhalten könnten. Und um internationale Kritik zu beschwichtigen, werden in geringerem Umfang auch Baugenehmigungen für Palästinenser erteilt.

„Der Siedlungsbau ist illegal nach internationalem Recht“, eilten sich Regierungen aus aller Welt und internationale Organisationen zu betonen. Ein Hindernis für den Frieden, tiefe Besorgnis – unisono kam die Kritik von den Vereinten Nationen, der Arabischen Liga, der EU, den Regierungen der USA, Frankreichs, Britanniens und Deutschlands. Das israelische Armeeradio zitierte den israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett, der sich „überrascht“ gab vom Ausmaß des Drucks vonseiten der USA. Doch werde es kein „Halt!“ für den Siedlungsausbau geben.

Denn Papier ist geduldig. Mehrere Minister erklärten vertraulich, sie hätten keinen ungewöhnlichen Druck wegen des neuerlichen Siedlungsbaus erlebt oder davon gehört.

Druck innerhalb der Regierungskoalition ergibt sich aus der anstehenden Entscheidung in der Knesset über den Staatshaushalt. Um die Beziehungen innerhalb der Koalition zu verbessern, lud Bennett Abgeordnete und ihre Ehepartner zu einem Teambuilding-Event ein. Über die Siedlungspolitik musste da nicht viel diskutiert werden.

Siedlungen sind in den besetzten Gebieten nach internationalem Recht illegal. Dennoch wurden über die Jahre immer mehr israelische Siedlungen errichtet, mehr als 450.000 israelische Siedler leben jetzt auf der Westbank, Tendenz weiterhin steigend, allen internationalen Erklärungen und papierenen Protesten zum Trotz.
So ging der Traum vom eigenen palästinensischen Staat dahin.

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"Terrorlisten und Baugenehmigungen", UZ vom 5. November 2021



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