Erinnerung an Anschlag von Bologna vor 35 Jahren

Terror für Rechtswende

Von Gerhard Feldbauer

Das antifaschistische Italien gedachte am Sonntag, dem 2. August, der 85 Toten und über 200 Verletzten des faschistischen Terroranschlags der Spannungsstrategie vor 35 Jahren auf dem Hauptbahnhof von Bologna. Tausende Menschen, unter ihnen Überlebende und Hinterbliebene der Opfer des Massakers, zogen zum Bahnhofsplatz, wo um 10.25 Uhr Sirenen die Gedenkveranstaltung eröffneten. An der Spitze des Demonstrationszuges gingen der Präsident des Senats der Republik, Pietro Grassi, von der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) und die Mitglieder des Stadtrates mit Bürgermeister Virginio Merola, ebenfalls PD. Staatspräsident Sergi Mattarella, dessen Bruder Piersanti 1979 ebenfalls einem Attentat der Spannungsstrategen zum Opfer fiel, erinnerte in einer Botschaft daran, dass diese Anschläge auf die Demokratie zum Scheitern gebracht wurden. Er appellierte zur Wachsamkeit und betonte, „Italien hat die Pflicht, diesen Anschlag und die unschuldigen Opfer nicht zu vergessen“.

Vor 35 Jahren waren an diesem Ort um 10.25 Uhr in einem Wartesaal zwei Koffer mit Bomben explodiert, die 85 Menschen töteten und über 200 verletzten. Der Anschlag, den die pseudorevolutionär getarnte Terrorgruppe „Nuclei Armati Rivoluzionari“ (NAR) ausführte, war der bis dahin größte im Rahmen der von der CIA inszenierten Spannungsstrategie zur Verhinderung einer Regierungsbeteiligung der Kommunisten. Im Mai 1978 war der linke Führer der Democrazia Cristiana (DC), Aldo Moro, der die PCI, zu dieser Zeit mit 34 Prozent Wählerstimmen zweitstärkste Partei, in die Regierung aufgenommen hatte, Opfer dieser auch bleierne Jahre genannten Strategie geworden. Obwohl die PCI bei den Wahlen im Frühjahr 1979 auf 30,4 Prozent absank und die DC offiziell einer Regierung mit ihr absagte, waren sich die Organisatoren in Washington und Rom einer dauerhaften Wende nach rechts nicht sicher und wollten in Bologna ein weiteres abschreckendes Beispiel demonstrieren.

Nach acht Prozessen, in denen die faschistischen, von rechten Justizkreisen beförderten Manöver, für den Anschlag Linke verantwortlich zu machen, scheiterten, wurden 1995 drei Faschisten der NAR zu 30 Jahren bzw. lebenslanger Haftstrafe verurteilt. Den Opfern des blutigen Anschlags wurde bis 2008 eine Entschädigung verweigert. Die Hintermänner wurden, wie auch der Vorsitzende des Verbandes der Opfer und Hinterbliebenen, Paolo Bolognesi, ausführte, nie zur Rechenschaft gezogen. Gegen einige Geheimdienstleute und einen der Haupträdelsführer, den Chef der faschistischen Putschloge P2, Licio Gelli, wurden lediglich wegen Verschleierung des Tatherganges und Irreführung der Untersuchungsbehörden geringfügige Freiheitsstrafen verhängt. Das verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass einer der Stellvertreter Gellis im Dreierdirektorium der faschistischen P2 ein gewisser Silvio Berlusconi war, ab 1994 mit Unterbrechungen dreimal Premier. So wurde erst kürzlich bei der Aufdeckung des Mafia-Kartells der Hauptstadt bekannt, dass dessen Chef Massimo Carminato zu den Mitbegründern der NAR gehörte und an dem Anschlag in Bologna beteiligt war. Einbezogen in den Mafia Capitale genannten Clan war der faschistische Bürgermeister (2008–2011) Giovanni Alemanno, ein enger Vertrauter Berlusconis und Minister in dessen Regierungen.

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"Terror für Rechtswende", UZ vom 14. August 2015



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