Zur Mitarbeiterbefragung bei der Post

Teilnahme verweigert

Tim Laumann

Der Teamleiter geht an den Spinden vorbei, an denen gerade die Post sortiert wird. Er spricht jeden Einzelnen an, schon das macht die Kollegen aufmerksam. Den Blick nach vorne gerichtet, halten sie die Ohren offen. Als er zum eigenen Team kommt, ist den meisten Kollegen bereits klar, was er will: Die Mitarbeiterbefragung läuft und er hat die Aufgabe, die Teilnahme sicherzustellen.
Die Kollegen grinsen. Die Mitarbeiterbefragung dieses Jahr hat die Besonderheit, dass sie online durchgeführt wird, die Mitarbeiter erhalten Codes, die sie einscannen, sowohl vom Smartphone wie vom Handscanner ginge das. Damit – so vermuten die Kollegen – ist die Anonymität dahin. Also ist die Nicht-Teilnahme an der Mitarbeiterbefragung die häufigste Reaktion. Die Angst vor Überwachung ist bei den Kollegen real.

Angst spürt man aber auch auf der anderen Seite. Als der Teamleiter bei mir ankommt und fragt, ob ich an der Mitarbeiterbefragung teilgenommen habe, frage ich laut, woher er denn wüsste, dass ich das nicht schon getan habe. Die anderen horchen auf – auf diese Frage haben sie gewartet. In der Stille kann man den Niederlassungsleiter denken hören. „Das weiß ich nicht“, sagt er schließlich verdattert, „ich habe nur mitbekommen, dass nur 12 von 90 teilgenommen haben. Das ist sehr wenig, das muss besser werden.“ Der Diktion nach zitiert er dabei seinen Vorgesetzten.

Die Kollegen beschränken sich in der anschließenden – sehr kollektiv auch von Nichtrauchern genommenen Raucherpause – auf die Auswertung der Zahlen. „12 von 90“ rechnen sie durch, und benennen, dass bei einem Niederlassungsleiter, vier Teamleitern und vier stellvertretenden Teamleitern ja nicht viele übrig blieben. Alte Beamte kommen überein, doch teilzunehmen und dampfen gemeinsam zum Niederlassungsleiter ab, um den Fragebogen an seinem Gerät auszufüllen. Sie legen sich ihre gepfefferten Antworten schon zurecht.

Die anderen Kollegen diskutieren noch ein wenig. Nur wenige können nachvollziehen, dass der Niederlassungsleiter – ebenso wie sie – überwacht wird. Es wird als sein Versäumnis gewertet, wenn die Teilnahme an dieser „freiwilligen“ Befragung niedrig ist.

Der Druck, unter dem er steht, ist ihm anzumerken, als man kurze Zeit später zur „Morgeninfo“ im großen Halbkreis auf dem Hof zusammentritt. Die Beteiligung sei gestiegen, erklärt er, um dann hinzuzufügen, „Sie bewerten dabei nicht die Arbeit des Herrn Appel in Bonn“ oder die unseres Personalers. Dieser ist wegen seiner „Motivationsreden“ besonders verhasst. Er fordert darin alte Kollegen, die die Zustelltouren nicht mehr schaffen, dazu auf, „ihr Leben zu ändern“. Die Antworten der Beamten scheinen sich also gewaschen zu haben.

Auf dem Weg zurück in die Spinde sind die Kollegen mit deutlich geraderen Rücken unterwegs. Viel mehr Teilnehmer an der Mitarbeiterbefragung wurden es – zumindest in diesem Zustellstützpunkt – nicht.

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"Teilnahme verweigert", UZ vom 8. Oktober 2021



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