Um 12.42 Uhr detonierte die Bombe. Ein Kilogramm Sprengstoff sollte den Putschplan des militärischen Widerstands ermöglichen. Doch Adolf Hitler überlebte durch Fehler und Zufälle das Attentat während einer Lagebesprechung in der „Wolfsschanze“. Weitere Fehler und Fehleinschätzungen verurteilten das Unternehmen zum Scheitern.
Als Claus Schenk Graf von Stauffenberg den Zeitzünder am 20. Juli 1944 aktivierte, hatte er einiges erlebt. Er gehörte zu den Teilen der Wehrmachtsführung, die ein zwiespältiges Verhältnis zum Faschismus hatten. Man unterstützte die Eroberungsziele der Nazis, floss doch gerade der Militarismus durch die Adern des großenteils adligen Offizierskorps. Abgelehnt wurden hinter vorgehaltener Hand die Formen, mit denen Hitler die Politik des deutschen Monopolkapitals umsetzte. So schwankte dieses Verhältnis etwa in Richtung Unbehagen nach den Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung im November 1938, während die anfänglichen militärischen Erfolge nach dem Überfall auf Polen und die Besetzung Frankreichs die Offiziere wieder näher an die Seite der Nazis brachte.
Mit dem Überfall auf die Sowjetunion wuchsen die Zweifel. Anfänglich bei wenigen wegen des befohlenen Vernichtungskriegs, der weder vor Kriegsgefangenen noch vor der Zivilbevölkerung Halt machte. Mit den ersten Niederlagen vor Moskau und dann der Vernichtung der 6. Armee in Stalingrad zu Beginn des Jahres 1943 wurden die Zweifel deutlicher.
Ab Sommer 1943 wurden in einem kleinen Teil des Offizierskorps Pläne für ein Attentat und einen Militärputsch geschmiedet. Nach der Ermordung Hitlers sollte die Wehrmacht dazu eingesetzt werden, die inneren Machtorgane der Faschisten, die Gestapo, die SS und die NSDAP, auszuschalten. Durch das Scheitern des Attentats auf Hitler waren allerdings viele Offiziere nicht bereit, den Putsch zu unterstützen. Die Verschwörer waren gescheitert. Kurz nach Mitternacht wurden Stauffenberg und drei weitere Offiziere auf Befehl von Generaloberst Friedrich Fromm erschossen. Fromm hatte damit versucht, seine Beteiligung am Putsch zu verschleiern. Er flog auf und wurde am 12. März 1945 hingerichtet. Insgesamt wurden etwa 200 Menschen getötet oder in den Suizid getrieben.
„Wenn einst Gott Abraham verheißen hat, er werde Sodom nicht verderben, wenn auch nur zehn Gerechte darin seien, so hoffe ich, dass Gott Deutschland um unseretwillen nicht vernichten wird“, sagte Henning von Tresckow, der sich noch vor Stauffenberg mit Putschplänen beschäftigt hatte, kurz vor seinem Freitod. Er spricht das nationale Interesse aus, das den engsten Kern der Verschwörer verband. Sie fanden damit – wenn auch spät – zum Widerstand gegen den deutschen Faschismus. Der Widerstandskämpfer und DDR-Historiker Walter Markov brachte es auf den Punkt: „Wenn jemand seinen Kopf bewusst hinhielt, dann gehörte er zu uns.“
Da man im Westteil Deutschlands nach 1945 schnell nichts mehr mit Befreiung und noch weniger mit Widerstand vor allem der Arbeiterbewegung zu tun haben wollte, boten sich die Verschwörer als ideologische Abgrenzung vom „Nationalsozialismus“ an. Doch bis zur Konterrevolution war es schwer, den Tag vollends zu instrumentalisieren. Zu stark war – auch durch die Arbeit der DDR – der Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Faschismus in der Arbeiterbewegung verankert. Die Widerstandskämpfer und gerade die Kommunisten unter ihnen halfen mit, den Aufstieg des deutschen Imperialismus immer wieder zu verlangsamen.
Knapp zehn Jahre nach der Konterrevolution, am 20. Juli 1999, fand das erste „Feierliche Gelöbnis“ von 430 Rekruten der Bundeswehr im Bendlerblock statt. An dem Ort, von dem aus Stauffenberg den Putsch leiten wollte und schließlich erschossen wurde. Wenige Monate später hatte sich die Bundeswehr an einem völkerrechtswidrigen Krieg beteiligt: dem dritten Überfall einer deutschen Armee in einem Jahrhundert auf dem Balkan. Die Vereinnahmung des militärischen Widerstands passte ins Konzept der damaligen SPD-Grünen-Bundesregierung. Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) hatte Gräuelpropaganda gegen Serbien erfunden. Außenminister Joseph Fischer begründete der Krieg mit einer bis heute nicht verfolgten Auschwitzlüge: Wegen des Holocaust müsse Deutschland Krieg führen, um den von Scharping erlogenen Völkermord zu verhindern.
Weitere 15 Jahre später bereitet Deutschland in aller Öffentlichkeit wieder einen Krieg gegen Russland vor. Dazu wird die Entscheidung der Verschwörer, einen Vernichtungskrieg zu stoppen, weiter missbraucht. In den Mittelpunkt wird ihr Handeln gegen den Autokraten Hitler gerückt. Damit wird auch der Militarismus des Offizierskorps ausgeblendet: Dieser sei ja überwunden, da die Bundeswehr eine demokratische Armee im Sinne Stauffenbergs sei. Es gehe um „westliche Werte“, die wir verteidigen müssten.
Wenn nun Kriegsminister Boris Pistorius oder Kriegserklärungsministerin Annalena Baerbock in den kommenden Wochen den Namen Stauffenberg in den Mund nehmen, soll ihnen mindestens die Zunge anschwellen oder ein lange Nase wachsen. Sie haben nichts gemein mit den mutigen Männern, die erkannt haben, dass die Katastrophe, die sie lange mittrugen, beendet werden muss.
Es gibt heute wenige Generäle, die sich auf die Tradition des Attentats vom 20. Juli berufen dürfen. Harald Kujat, der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, gehört dazu. Er erkennt die Gefahr eines Dritten Weltkriegs und erkennt das nationale Interesse Deutschlands: Frieden.