Die Personalie des neofaschistischen Attentäters Frank Steffen, der vor nunmehr knapp zwei Wochen die mittlerweile zur Kölner Oberbürgermeisterin gewählte parteilose Henriette Reker niedergestochen hatte, befördert aktuell Debatten über eine mögliche V-Mann-Tätigkeit des Attentäters. Über eine mögliche Zusammenarbeit Steffens mit Inlandsgeheimdiensten war vor allem spekuliert worden, da die Arbeitsamtsakte des Messerstechers als geheim eingestuft worden war und somit nur für ausgewählte Personenkreise zugänglich ist. Weder das nordrhein-westfälische „Landesamt für Verfassungsschutz“ noch das Bundesamt wollten sich gegenüber den Medien zu der Frage äußern, ob der Neonazi im Dienste der Inlandsgeheimdienste steht oder Mitte der 1990er Jahre zu seiner Zeit als Anhänger der 1995 verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) stand. Dabei galt die FAP in den Jahren vor ihrem Verbot nicht nur als ein Sammelbecken gewalttätiger Neofaschisten, sondern auch als von V-Leuten der Geheimdienste durchsetzt. Um Licht ins Dunkel der offensichtlichen Mischszene aus Neonazis, Rassisten und Geheimdienstlern zu bringen, brachte die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen jüngst eine an die Bundesregierung gerichtete Kleine Anfrage in den parlamentarischen Verlauf ein. Darin fordern die Grünen alle Geheimdienstinformationen über den Attentäter offenzulegen.
Dass es überhaupt zu öffentlichen Debatten um eine mögliche Tätigkeit neofaschistischer Attentäter kommt, ist Folge der kontinuierlichen Skandalserie, für die die Inlandsgeheimdienste eigentlich seit ihres Bestehens geflissentlich Sorge tragen. Zur Erinnerung: Der mörderische Terror des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) wäre ohne die Alimentierung der Naziszene durch die Dienste überhaupt nicht möglich gewesen. Alleine der kriminelle Nazikader und V-Mann Tino Brandt strich in der sogenannten Nachwendezeit über 200 000 DM an Spitzelhonoraren ein.
Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an die hartnäckigen Gerüchte über eine mögliche V-Mann-
Tätigkeit des Dortmunder Polizistenmörders Michael Berger, der im Jahr 2000 drei Polizeibeamte erschoss und sich danach selbst richtete. Diese halten sich bis heute und wurden bisher noch immer nicht glaubwürdig ausgeräumt. Über mögliche Verstrickungen Bergers in das spätere NSU-Umfeld war in der Vergangenheit ebenfalls spekuliert worden.
Auch die offensichtliche Beteiligung der Inlandsgeheimdienste an den terroristischen Taten des NSU ist Jahre nach dessen Enttarnung nicht aufgeklärt. Bis heute ist selbst fraglich, ob nicht sogar Beate Zschäpe im Dienst der Schlapphüte stand. Verneint hatten das ihre Anwälte in der Vergangenheit auf Nachfrage explizit nicht. Die Leipziger Volkszeitung berichtete einst, dass Zschäpe im Dienste des Thüringer Verfassungsschutzes gestanden haben soll. Als Gegenleistung für Informationen, die Zschäpe weitergeben habe, soll sie von der dortigen Behörde vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt worden sein. Laut einem Hinweisgeber aus dem Thüringer Landeskriminalamt (LKA) soll die überzeugte Neofaschistin dem Verfassungsschutz zwischen 1998 und 2001 als Quelle gedient haben. Auch sollen bis 2003 weitere Kontakte zwischen dem Landesamt für Verfassungsschutz und Vertrauten von Zschäpe bestanden haben. Die Behörde bestritt dies.
Es wäre jedoch für die Inlandsgeheimdienste ein Leichtes, all diese Spekulationen zu beenden. Eben dies tun sie jedoch nicht. Sie sind und waren niemals ein „Frühwarnsystem der Demokratie“, sondern stehen demokratischen Gepflogenheiten und verfassungsmäßigen Rechten diametral entgegen. Dies belegen nicht nur aktuelle Äußerungen von Gordian Meyer-Plath, dem Chef des sächsischen „Landesamtes für Verfassungsschutz“, demzufolge „die überwiegende Mehrzahl der Versammlungsteilnehmer“ bei den extrem rechten „Pegida“-Aufmärschen „nach wie vor nicht dem extremistischen Spektrum zuzuordnen“ sei. „Einen generellen Einfluss“ von extremen Rechten „auf die Gida-Bewegung in Sachsen gibt es aktuell nicht“, konstatierte Meyer-Plath weiter, der als V-Mann-Führer von „Piatto“ alias Carsten Szczepanski einst von Brandenburg aus selbst eine der wichtigsten Quellen im Chemnitzer NSU-Umfeld betreute. Auch das erste Verbotsverfahren gegen die NPD war an den Verstrickungen zwischen Neonazis und Geheimdiensten gescheitert. Eine Wiederholung dessen gilt auch für das aktuell laufende neuerliche NPD-Verbotsverfahren keineswegs als ausgeschlossen.
Anstatt die kaum mit der Gesetzgebung in Einklang zu bringende Praxis der Geheimdienstbehörden einzustellen, fordern immer mehr Politiker aktuell erneut, die Spitzelbehörden mit mehr Personal und finanziellen Mitteln auszustatten. Dass dieses Geld sodann wieder in die Finanzierung des V-Leute-Unwesens flösse und von den neofaschistischen Staatszuträgern zur Finanzierung der braunen Terrornetzwerke und Mörderbanden genutzt würde, ist dabei für die etablierte Politik scheinbar unbedeutend.
So populistisch es vielleicht im ersten Augenblick auch klingen mag: Ein entscheidender Schlag gegen die in der Bundesrepublik aktive Neonaziszene gelänge dann, wenn sämtliche Inlandsgeheimdienste endlich aufgelöst würden.