Borussia, Blumentöpfe und American Football

Tatsache

Von Karl Rehnagel

Wir waren vollzählig angetreten, dem Tabellenführer angemessen gewaschen und frisiert: U. ohne Zähne, die schöne M. mit Hund, Gartenpartner A. mit Pumuckl­frisur, Basslehrerin S. ohne Freundin, ich mit Vertikalhusten und noch ein paar andere Vögel ähnlicher Kategorie. Der Wirt hatte Spendierlaune und so musste eigentlich nur noch der Tabellenvorletzte aus dem Stadion geschossen werden.

Das Spiel selbst war merkwürdig. Die ersten 45 Minuten ein Gewürge erster Klasse, Hannover hielt gut dagegen, Fehlpässe und Ballverluste waren die Folge. Selbst Halbgott Witsel verlor Zweikämpfe, ich war mir bis jetzt eigentlich sicher, dass das physikalisch gar nicht möglich ist, geschweige denn überhaupt erlaubt. Wer weiß wie es weiter gegangen wäre, hätte der Schiri beim Stand von 1:0 Elfmeter für Hannover gepfiffen: Delaney grätschte Bazee übelst im Strafraum um. Meiner Meinung nach ein glashüttenklarer Elfmeter und eine dunkelgelbe Karte. Warum Schiedsrichter, Linienrichter und der obskure VAR das nicht sahen, was ich über den voluminösen Zopf der schönen M. hinweg problemfrei erkennen konnte – keine Ahnung. In der zweiten Halbzeit präsentierte sich Hannovers Abwehr dann wie eine Gruppe Zeugen Jehovas auf LSD. Solche stümperhaften Fehler sieht man wohl selbst bei einem Derby zwischen dem ESV Rangierbahnhof Nürnberg und dem TuS 1902 Graf Kobbo Tecklenburg e. V. nicht. Allerdings spielten die Dortmunder jetzt auch wie ausgewechselt auf und Hannover konnte am Ende mit dem 1:5 noch zufrieden sein. Aber mit unserer Leistung aus der ersten Halbzeit holen wir nächste Woche in Frankfurt keinen Blumentopf. Tatsache.

Und sonst? Schalke konnte eine zweimalige Führung in Berlin nicht verteidigen (2:2), ebenso wie Bremen zu Hause gegen Frankfurt nicht (auch 2:2). Gladbach, Leverkusen und Hoffenheim gewannen. Leipzig auch und Bayern sowieso. Insgesamt würde ich von einer Vierteilung der Liga sprechen: BVB und Bayern (fast) unangreifbar. Gladbach, Frankfurt und Leipzig streiten um die weiteren internationalen Plätze. Grau der Alltag von Wolfsburg bis Düsseldorf, welches letztere aber sicherlich sogar feiern, bei dem Etat auch zu Recht. Ganz dunkel sieht es bei Augsburg, Stuttgart, Hannover und Nürnberg aus. Wenn man tippt, dass zwei der vier mindestens absteigen, bekommt man bei Wettanbietern wahrscheinlich 50 Cent für einen eingesetzten Euro.

Die schöne M. und ich fachsimpelten dann noch mit Bier und Sportschau bei ihr über den Super Bowl, genauer gesagt: sie fach und ich simpelte. Sie hatte bislang nämlich alle Spiele gesehen und versteht den Sport auch, während ich vom American Football so viel Ahnung habe wie vom Balzverhalten des mexikanischen Querzahnmolches, also gar keine. Nächsten Montag jedenfalls wollen wir uns das Endspiel – aufgezeichnet, es läuft Sonntagnacht – zusammen mit Gartenpartner A. anschauen. Vielleicht nehme ich mir was zu häkeln mit, falls ich überhaupt nichts kapiere. Und halte mich am besten bei allen diskutablen Entscheidungen an Stefan Engels, der einst zu Protokoll gab: „Dazu möchte ich jetzt keine Stellungnahme nehmen.“ Tatsache.

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"Tatsache", UZ vom 1. Februar 2019



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