Das Management von Deutschlands letztem großen Warenhauskonzern Galeria hat den mit der Gewerkschaft ver.di geschlossenen Sanierungstarifvertrag einseitig gekündigt. Galeria erklärte, das Unternehmen sei in einer „wirtschaftlich angespannten Situation“. Miguel Müllenbach, Vorsitzender der Geschäftsführung der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof (GKK), wandte sich in einem Brief an die Beschäftigten. Darin teilt Müllenbach mit, dass man den im Dezember 2019 mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossenen „Integrations- und Überleitungs-Tarifvertrag“ gekündigt habe. Die Einkommen der Beschäftigten würden auf dem aktuellen Lohnniveau eingefroren. Der „Überleitungs- und Integrationstarifvertrag“ aus 2019 beinhaltet die Möglichkeit der Sonderkündigung, wenn das Unternehmen in eine ökonomische Schieflage gerät. Zugleich verpflichtet der Tarifvertrag die Unternehmensleitung, im Falle einer Sonderkündigung sofort Tarifverhandlungen mit ver.di aufzunehmen.
Der ehemalige ver.di-Bundesfachgruppenleiter Einzelhandel und damalige Verhandlungsführer bei Galeria Karstadt Kaufhof, Orhan Akman, schrieb dazu, GKK komme „nicht zur Ruhe“ und schaffe es offenbar nicht, aus der Krise herauszukommen. ver.di und das GKK-Management hätten im Dezember 2019 einen „Integrations- und Überleitungs-Tarifvertrag“ (ITV) abgeschlossen. Akman erläutert: „Aus den beiden Kontrahenten Kaufhof und Karstadt, welche beide der österreichische Investor René Benko aufgekauft hatte, wurde aufgrund der Fusion ein ‚neues‘ Unternehmen, nämlich GKK. Zugleich wurde mit dem ITV die Tarifflucht der ehemaligen Vertriebsschiene Kaufhof beendet und Lohnerhöhungen für die Beschäftigten erreicht.“ Kaum vier Monate danach, im März 2020, hätten die Tarifparteien (GKK und ver.di) erneut in Verhandlungen treten müssen, da sich durch den Lockdown die Krise verschärft und das Unternehmen Insolvenz in Selbstverwaltung angemeldet hatte. Bis Juni/Juli 2020 habe es sehr harte und schwierige Tarifverhandlungen gegeben. „Am Ende konnte ein ‚Sozialtarifvertrag‘ durchgesetzt werden“, so Akman. Der Kampf um jeden Arbeitsplatz und jede Filiale sei trotz geplanter Schließungen fortgesetzt worden. ver.di habe dabei auf lokale Bündnisse mit der Politik gesetzt. Am Ende hätten von geplanten 62 Filial-Schließungen bei GKK 22 verhindert werden können. Bei Galeria Markthalle seien es 14 statt 24 Schließungen gewesen, bei K-Sports 16 statt 20.
Akman kritisiert in diesem Zusammenhang die Haltung des bei ver.di für den Handel zuständigen Bundesvorstandsmitglieds Stefanie Nutzenberger. Mit Blick auf die jetzige Kündigung des Sanierungstarifvertrags sei es nicht richtig, die Rettung des Unternehmens vom Handeln des Eigentümers und des Managements abhängig zu machen. „Unsere Erfahrung hat uns gelehrt, dass es immer darauf ankommt, wie sich die Beschäftigten und die Betriebsräte zusammen mit ihrer Gewerkschaft stark machen“, so Akman. „Gerade die Erfahrung bei GKK hat uns das klar gelehrt. Denn ohne die Betriebsräte und ver.di hätte Karstadt nicht überlebt, GKK wäre längst Geschichte.“
Mehr unter: orhan-akman.de. Zu den harten Tarifverhandlungen im Sommer 2020 hatte UZ Akman interviewt.