Die dritten Verhandlungsrunde am 12. November für die Tarifverträge in der Leiharbeit brachte nach Einschätzung der Gewerkschaften nicht den großen Wurf, kleine Schritte und viele Detailfragen hätten die Verhandlungen geprägt.
In dieser Tarifrunde handelt die DGB-Tarifgemeinschaft Leiharbeit mit dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) und dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) die Tarifverträge aus. Die DGB-Tarifgemeinschaft fordert die Erhöhung der Entgelte um 8,5 Prozent bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Die Jahressonderzahlungen (Weihnachts- und Urlaubsgeld) sollen insgesamt auf die Höhe eines 13. Monatsgehaltes steigen, verknüpft mit einer Vorteilsregelung exklusiv für die Mitglieder der DGB-Gewerkschaften. Die Zahl der Urlaubstage soll zunächst auf 28 steigen, nach dem zweiten Jahr auf 30. Ferner sollen die Zuschlagsregelungen verbessert werden, so sollen die gleichen Zuschläge für Nacht, Sonn- oder Feiertagsarbeit wie bei den Entleihbetrieben gezahlt werden.
Die Arbeitgeber legten hinsichtlich der Entgelthöhe kein neues Angebot vor. Bewegung gab es bei den Urlaubsansprüchen, bei den Jahressonderzahlungen hingegen boten die Arbeitgeber 25 Euro mehr an, allerdings erst im Jahr 2023 und das auch erst ab dem fünften Beschäftigungsjahr.
Kritiker der DGB-Tarifgemeinschaft Leiharbeit werfen der Gewerkschaft vor, dass mit diesem Tarifvertrag eine „lohndrückende Tarifierung der Leiharbeit“ praktiziert würde. Der Arbeitsrechtler Rolf Geffken argumentiert: „Solange die Gewerkschaft einen Tarifvertrag Leiharbeit abschließt, der vom Equal Pay abweicht, bestimmt das Gesetz, dass kein Equal Pay gezahlt werden muss. Sobald die Gewerkschaft keinen Tarifvertrag Leiharbeit mehr abschließt, ist das Gegenteil der Fall: Das Gesetz sagt dann, dass der Arbeitgeber Equal Pay zahlen muss.“
Der sogenannte Equal-Pay-Grundsatz im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (§ 9 Nr.2 AÜG) gilt seit dem 1. Januar 2004. Danach sind Vereinbarungen zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmenden unwirksam, die für die Leiharbeitnehmenden ein schlechteres Arbeitsentgelt vorsehen als für vergleichbare Arbeitnehmer des Entleihers. Diese Regelung gilt allerdings nur während der Verleihzeit, nicht aber während der verleihfreien Zeit.
Hinzu kommt, dass dieser Equal-Pay-Grundsatz nur eingeschränkt gilt. Das AÜG ermöglicht vielmehr den Tarifpartnern, vom Grundsatz des Equal Pay mit Tarifverträgen abzuweichen (die sogenannte Tariföffnungsklausel). Nach der Reform des AÜG in 2017 ist eine Abweichung von Equal Pay nur für neun Monate einer Beschäftigung möglich. Darüber hinaus ist eine Abweichung nur dann möglich, wenn ein Tarifvertrag zugleich die stufenweise Heranführung an den gleichen Lohn vorsieht.
Von der Tariföffnungsklausel haben die sogenannten christlichen Gewerkschaften in der Vergangenheit umfassend Gebrauch gemacht, um sehr niedrige Tarifstandards in der Leiharbeit zu etablieren. Die DGB-Mitgliedsgewerkschaften haben sich damals entschieden, mit eigenen Tarifverträgen ein im Vergleich dazu besseres Tarifniveau zu vereinbaren, auch um den christlichen Gewerkschaften nicht das Regelungsfeld zu überlassen.
Der DGB ist der Auffassung, dass der Verzicht auf Entgelttarifverträge in der Leiharbeit nicht automatisch zu Equal Pay führt, denn grundsätzlich wirken Tarifverträge – mit Ausnahme des Mindestlohntarifvertrags – auch nach Ende der Laufzeit nach und sind bis zu einem neuen Tarifabschluss, der sie ersetzt, anwendbar. Die Nachwirkung eines Tarifvertrages im Bereich der Leiharbeit ist unter Arbeitsrechtlern umstritten und müsste von den Betroffenen möglicherweise individuell vor den Arbeitsgerichten geklärt werden.
Einige DGB-Gewerkschaften haben selbst eine Annäherung der Löhne der Leiharbeitnehmenden an Equal Pay tariflich festgelegt: Nach einer bestimmten Überlassungsdauer von Leiharbeitnehmenden in einem Entleihbetrieb werden Branchenzuschläge fällig, die auf die Entgelte der Tarifverträge der DGB-Tarifgemeinschaft zu zahlen sind. Dies bedeutet für die Leihbeschäftigen erhebliche Gehaltsverbesserungen und bewirkt eine beachtliche Annäherung ihrer Löhne an die Löhne der Stammbelegschaft.
Zweifelsfrei hat der Tarifvertrag für die Beschäftigten in vielen tariflich nicht gebundenen Betrieben eine Lohnsteigerung gebracht. In der untersten Lohngruppe beträgt der Stundenlohn seit dem 1. Oktober 2019 9,96 Euro, Der gesetzliche Mindestlohn ist zum 1. Januar 2019 auf 9,19 Euro gestiegen und wird zum 1. Januar 2020 auf 9,35 Euro angehoben.
Ziel des DGB ist die Gleichbehandlung der Leiharbeitnehmenden mit den Stammbeschäftigten, wenn gleiche oder vergleichbare Arbeit im Betrieb geleistet wird. Damit wollen die DGB-Gewerkschaften verhindern, dass durch Lohndumping Kostenvorteile für die Arbeitgeber entstehen. Hier sind vor allem die Betriebsräte gefragt.Die Debatte um den Tarifvertrag Leiharbeit wird weitergehen, und es wird noch viel Arbeit bedeuten, letztendlich das Verbot von Leiharbeit durchzusetzen, wie es auch von der DKP gefordert wird.