Bundeskonferenz der EVG: Zerschlagung der Deutschen Bahn verhindern

Tarifpolitik in turbulenten Zeiten

Der Bundeskongress der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) fand letzte Woche in Hamburg und ganz im Zeichen eines politisch turbulenten Umfeldes statt. Sowohl die Politik der Bundesregierung als auch der Bruch der Ampel-Koalition gefährden die Sanierung der Schieneninfrastruktur, die in den letzten Jahren angestoßen wurde. Nach Jahrzehnten der Unterfinanzierung schien ein Hoffnungsschimmer am Horizont, da mit der Neuordnung der Infrastruktur zig Milliarden Euro Finanzierungshilfen vom Bund fließen sollten.

Doch bisher ist das zugesagte Geld nicht eingegangen. Stattdessen wurden die finanziellen Mittel durch das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichtes stark geschmälert. Hinzu kommt die völlig unklare Haushaltslage durch den Bruch der Regierungskoalition. Auch weiteres – bereits zugesagtes – Geld, das für den Schienenverkehr vorgesehen war, steht in Frage.

Unter dem Eindruck der zu erwartenden künftigen CDU-geführten Regierungskoalition sieht die EVG die Gefahr einer Zerschlagung der bundeseigenen Deutschen Bahn AG (DB AG) in greifbarer Nähe. Gleich am ersten Tag ihres Bundeskongresses positionierte sich die Gewerkschaft deshalb gegen eine Zerschlagung der Deutschen Bahn AG: „Die Bahn ist das energieeffizienteste und klimaschonendste Verkehrsmittel. Schienenverkehr und Bahnindustrie sind strategisch wichtige Zukunftsbranchen. Viele Industriesektoren sind auf die Eisenbahn angewiesen. (…) Die Förderung des Schienenverkehrs ist außerdem Beschäftigungspolitik. Dabei geht es nicht nur um Arbeitsplätze bei den Bahnen selbst, sondern auch in der Bahn- und Bauindustrie und allen Branchen, die mit der Eisenbahn ihre Transportbedürfnisse erfüllen“, heißt es in der verabschiedeten Resolution.

Unterstützung bekam die EVG durch den zugeschalteten nunmehr parteilosen Verkehrsminister Volker Wissing, der sich für ein integriertes Bahnunternehmen aussprach. Die ebenfalls geladene Ökonomin Philippa Sigl-Glöckner vom Wirtschaftspolitischen Beirat der SPD brachte Argumente gegen die sogenannte „Schuldenbremse“ vor und machte deutlich, dass trotz der Bremse nicht nur eine Finanzierung des Schienenverkehrs möglich ist, sondern auch in anderen Ländern so praktiziert wird. Eins der Vorzeigeländer in Sachen Verkehrspolitik, die Schweiz, habe beispielsweise die Bahnfinanzierung von der Schuldenbremse ausgenommen. „Bahn macht man nicht ohne Schulden“, so ein klares Fazit von Philippa Sigl-Glöckner. „Wir schaffen eine Infrastruktur, die Jahrzehnte halten soll, und das können wir nicht aus jährlichen Steuereinnahmen finanzieren.“

In einer Podiumsdiskussion berichtete die neue Vorsitzende des DB-Konzernbetriebsrates, Heike Moll, dass für eine langfristige Finanzierungsarchitektur derzeit zahllose Gespräche gerade mit CDU-Politikern geführt werden. Auf dem Kongress wurde aber deutlich, dass es nicht bei Gesprächen bleiben kann, sondern die Position der EVG auch in der Öffentlichkeit durch Aktionen präsent sein muss.

Am zweiten Kongresstag wurde das Arbeitsprogramm der EVG diskutiert und beschlossen. Neben der Bundestagswahl werden die Aufsichtsratswahlen im DB-Konzern und die Tarifrunde 2025 ein Schwerpunkt der EVG im nächstem Jahr sein. Die Vorbereitungen der nächsten Tarifrunde laufen bereits seit dem Frühjahr und werden durch „Blitzlichter“ begleitet. Tausende Beschäftigte der Bahnen wurden dabei in zahlreichen Aktionen persönlich zu ihrer Meinung befragt. Auf dem Bundeskongress wurde dazu auch die Online-Befragung der Mitglieder gestartet. Auf dieser Grundlage werden die Tarifkommissionen die Forderungen der EVG beschließen. Es geht um Lohn, Arbeitszeit und Mitgliederbonus.

Die Tarifrunde wird vor dem Hintergrund der Bundestagswahl und der Finanzsituation als eine besondere Herausforderung wahrgenommen, denn die Beschäftigten tragen keine Verantwortung für die aktuelle Situation. Mehr noch als in der Vergangenheit wird der Erfolg der Tarifrunde von der Beteiligung der Mitglieder an den geplanten Aktionen abhängen. Ein positives Signal ist, dass die EVG auch in diesem Jahr ein Mitgliederplus bei den aktiven Beschäftigten aufweisen wird. Die Gewerkschaft geht deshalb trotz allem optimistisch in die Zukunft.

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"Tarifpolitik in turbulenten Zeiten", UZ vom 29. November 2024



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