Der Arbeitskampf der Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer (GDL) in der Deutschen Bahn AG ist mit Wucht in Gang gesetzt worden. Eindrucksvoll demonstrierten die Lokführer, wie sie in der Lage sind, ohne großen Aufwand das Unternehmen in weiten Teilen stillzulegen. Im Ergebnis der Urabstimmung hatten 95 Prozent der teilnehmenden Mitglieder für den Streik gestimmt.
„Dieser Umstand macht deutlich, dass der Rückhalt der GDL bei den Lokführern sehr hoch verankert ist. (…) Der Vorstand der Deutschen Bahn AG muss diesem Umstand Rechnung tragen (…), heißt es in der Erklärung der DKP zu dem Streik. Die SDAJ stellt ergänzend fest: „Das Unternehmen kommt der Gewerkschaft seit Wochen nicht entgegen“, daher sei der Streik die logische Konsequenz.
Die Lohnforderungen der GDL-Mitglieder sind berechtigt. In den bundesdeutschen Medien wird dieser Arbeitskampf als politischer Streik gewertet. SDAJ und DKP heben in ihren Erklärungen richtig hervor, dass in den letzten Monaten genau das passiert ist, wovor die Kritiker des 2015 vom Bundestag verabschiedeten „Tarifeinheitsgesetzes“ (TEG) gewarnt hatten: Diese Ergänzung des Tarifvertragsgesetzes wird die Spaltung in den Betrieben verschärfen und zur Eskalation in den Betrieben führen. Genau das ist eingetreten. Die Anwendung des TEG hat in der Deutschen Bahn AG zur Folge, dass in den etwa 300 DB-Betrieben nur noch in 16 die Tarifverträge der GDL zur Anwendung kommen. Dem hat der Konzernvorstand im Vorfeld Rechnung getragen und seit einiger Zeit schrittweise die Tarifregelungen der GDL in den Betrieben mit EVG-Mehrheiten außer Kraft gesetzt. Im Umkehrschluss bedeutet es, dass viele der jetzt an dem Streik teilnehmenden Mitglieder der GDL von der Umsetzung eines möglichen Tarifvertrages nicht profitieren. Das macht die Empörung der Lokführer aus, und damit ist der Streik auch ein politischer Streik.
Die GDL hat den Umständen entsprechend reagiert und ging Ende letzten Jahres mit dem Anspruch an die Öffentlichkeit, die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) als Tarifpartei zu verdrängen und ihre Zuständigkeit für alle Eisenbahner zu erklären – bis auf die ihrer Meinung nach überflüssige Verwaltung. Der GDL-Vorsitzende erklärte der EVG wörtlich den „Krieg“ und sprach der EVG, die mehr als die Hälfte aller (!) Beschäftigten der Bahn organisiert, das Recht ab, sich Gewerkschaft zu nennen. Seitdem sind Erfolgsmeldungen zu hören, nach denen „tausende“ EVG Mitglieder und Eisenbahner in die GDL gewechselt seien.
Die GDL-Führung hat von den ersten zwei Streiktagen eine positive Bilanz gezogen. Es gibt aber einige Feinheiten, die die Führung der GDL in ihrer Streikbetrachtung ausgelassen hat. Gefolgt sind dem Streikaufruf etwa 7.800 Beschäftigte, davon waren etwa 5.500 Lokführer. Das heißt, dass etwa ein Viertel aller Lokführer der DB an dem Streik beteiligt waren. Das ist eine beachtliche Zahl und bestätigt die Verankerung. Die nächstgrößere Gruppe war mit etwa 1.800 Beschäftigten das Bordpersonal, diese Beschäftigtengruppe umwirbt die GDL seit Jahren. Die GDL hatte aber gemäß ihren formulierten Expansionsplänen auch die über 60.000 Beschäftigten der Infrastruktur aufgerufen zu streiken. Gefolgt sind dem Aufruf deutlich unter 100. Damit hat die GDL öffentlich gemacht, dass ihr dort die Gefolgschaft verweigert wurde. Das entspricht der betrieblichen Realität – weil die GDL dort faktisch nicht existiert.
Diesen Umstand hat der Bahnvorstand sehr wohl registriert, und er dürfte nicht zur Stärkung der Verhandlungsposition beitragen. Die GDL besteht aber auf den für sie erstmaligen Abschluss von Tarifverträgen für diese Unternehmensbereiche. Der Aufruf an die Infrastruktur macht aber auch die Stoßrichtung der GDL deutlich: Sie richtete ihren Aufruf an bestimmte Berufsgruppen dieser Unternehmen und nicht an alle Beschäftigten. Das entspricht ihrer Entwicklung als Berufsgewerkschaft, wirkt aber faktisch damit als Spaltung, denn dabei fallen viele Beschäftigten aus dem Fokus. Eine auf bestimmte Berufsgruppen orientierte Organisation entspricht nicht dem Solidaritätsgedanken.