Vor einer Woche wurde die Tarifrunde für 90 Prozent der Bahnbeschäftigten in Deutschland beendet. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und der Arbeitgeberverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister (Agv-MoVe) einigten sich auf 5,1 Prozent mindestens aber 120 Euro in zwei Stufen (3,5 Prozent bzw. mindestens 80 Euro zum 1. Juli 2015, und 1,6 Prozent, mindestens aber 40 Euro zum 1. Mai 2016) und zahlreiche Details zur Tarifstruktur für alle ausgelaufenen Tarifverträge. Die Zeit vom Auslaufen der Tarifverträge bis zum 1. Juli 2015 wird mit 100 Euro je Monat bis 1 100 Euro Einmalzahlung ausgeglichen. Damit steht dieser Tarifabschluss der EVG bis Dato mit an der Spitze dieser Tarifrunde. Dass auch für das Jahr 2014 eine Reallohnsteigerung erreicht wurde, liegt noch an dem vorherigen Tarifabschluss. So wurden die Löhne für diesen Tarifbereich bereits im April 2014 um linear 3 Prozent angehoben.
Auf die Frage an einen Kollegen der Bahnreinigung, wie er denn diesen Tarifabschluss beurteilt, antwortete dieser: „Super!“ Die gleiche Frage an einen Kollegen einer Gesellschaftszentrale gerichtet, fällt anders aus: Dafür wurde jetzt über Monate verhandelt? Das macht den Spagat, den einheitliche Tarifabschlüsse vollbringen müssen, deutlich. Der Schwerpunkt lag für die EVG in dieser Tarifrunde auf einem deutlicheren Zuschlag für die unteren Lohngruppen. Diesen Spagat hat sich die EVG zum Teil selbst zuzuschreiben. Der letzte Tarifabschluss endete mit einem – für den formulierten Anspruch der EVG „Wir leben Gemeinschaft!“ – kleinen Fiasko, mit einigen Folgen für diese Verhandlungsrunde. Die Laufzeit des Tarifvertrages der einkommensschwachen Dienstleistungsbereiche der Deutschen Bahn – wie die Bahnreinigung – wurde um einige Monate länger vereinbart, als die anderen Tarifverträge. Das führte zu heftigen internen Auseinandersetzungen und Protesten. Die Mitglieder der Tarifkommission waren daher entschlossen, diesen von den Mitgliedern nicht akzeptierten Fehler wieder auszugleichen. Damit war die EVG aber noch bis zum 30. November 2014 an ihre Tarifverträge gebunden und konnte erst im Dezember mit ernsthaften Verhandlungen beginnen. Die Forderung nach einem Mindestbetrag musste im Ergebnis deutlich hervorstechen.
Die taktischen Spielchen des Agv-MoVe gegenüber der GDL führten dazu, dass dieser versuchte, der EVG entgegen den Forderungen eine neue Tarifstruktur aufzudrücken. Mit der ersten Drohung eines Warnstreikes durch die EVG im Januar war dieser Versuch allerdings schnell vom Tisch. Etwa Ende April wurde wiederum deutlich, dass sich die Verhandlungen – zum Unwillen der Mitglieder – noch über Monate hinausziehen können. Auch hier entschloss sich die Tarifkommission, zum 1. Juni ein Ultimatum an das Unternehmen zu richten. Dies beschleunigte die Verhandlungsbereitschaft sichtlich.
Der erstmalig für den Tarifbereich der DB AG durchgesetzte Mindestbetrag bedeutet für die Mehrheit der Dienstleistungsbereiche und die unteren Lohngruppen der anderen Gesellschaften eine zum Teil deutliche Reallohnsteigerung. Doch selbst für die anderen Lohngruppen sind unter Berücksichtigung der niedrigen Inflationsrate und der gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsentwicklung noch Steigerungen erreicht worden. Außerdem verpflichtete sich das Unternehmen in einem gesonderten Tarifvertrag mit Blick auf die Zukunft der Arbeit, dass die sich anbahnenden Auswirkungen der Digitalisierung der Arbeit betrachtet und verhandelt werden.