Widerspruch zur Kritik

Tarifabschluss der IG Metall

UZ-Debatte

Mit diesem Beitrag setzen wir die Debatte zum Tarifabschluss der IG Metall fort, die in den kommenden Ausgaben fortgesetzt werden und Anfang Juli abgeschlossen werden soll. Wer sich daran beteiligen möchte, wird gebeten, seinen Beitrag in einer Länge von maximal 4.500 Zeichen bis zum 20. Juni an werner.sarbok@unsere-zeit.de zu schicken.

In der Einleitung zum Beitrag von Isa Paape wird darauf hingewiesen, dass es zur in der UZ abgedruckten Kritik der „Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften“ (VKG) am IGM-Tarifabschluss vom 19. März Widerspruch gegeben hat. Bedauerlicherweise erfahren wir leider nicht, welchen Widerspruch die Partei der Arbeiterklasse, der Parteivorstand und/oder Betriebs- und Gewerkschaftssekretariat dabei geltend machen. In dem Sinne wirkt der Paape-Beitrag, der dem IGM-Vorstand „schwierigste Bedingungen“ und „Zeitdruck“ bescheinigt, um es militärisch auszudrücken, als „Entlastungsangriff“, sozusagen die Wiedergutmachung der DKP/der UZ-Redaktion für den Abdruck der Kritik von der VKG. Für das Hochjubeln von Tarifabschlüssen ist aber in dem Fall wie generell die Gewerkschaftsführung zuständig.

Sich jetzt nachträglich auf eine „Ergebnis-Kosmetik“ einzulassen, birgt allerdings die große Gefahr, in den Sog des opportunistischen Fahrwassers sozialdemokratischer Gewerkschaftsführer zu geraten. IGM-Vorsitzender Hoffmann hat unter anderem zum „Tariferfolg“ erklärt: „Dieser Abschluss ist ein Beitrag zur Abfederung der Corona-Krise und stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“

Mit diesen Aussagen federt der IGM-Vorsitzende die gesellschaftliche Realität, den unversöhnlichen Interessengegensatz zwischen Arbeit und Kapital gleich mit ab. Ergebnisbezogen kommt dabei für die Metallerinnen und Metaller heraus: Für die Maloche, Ausbeutung und Verschleiß der Arbeitskraft gibt es in den nächsten acht Monaten keine „tabellenwirksame“ Lohnerhöhung. Hierbei ist über die „Wertschöpfung“ seit dem letzten Tarifabschluss, die „Geldberge“, die sich in den Tresoren der „milliardenschweren Konzerne“ angesammelt haben – wie Isa Paape schreibt – noch nicht gesprochen. Das wäre bzw. ist an sich die Aufgabe der Partei der Arbeiterklasse, zu untersuchen, wie sich der „Solidarakt“ Lohnverzicht auf Klassenbewusstsein und relative und/oder absolute „Verelendung“ der lohnabhängigen Klasse im Zusammenhang mit den Monopolprofiten auswirkt.

Dabei kann sich jede und jeder leicht selber ausrechnen, was ihr oder ihm zum Beispiel bei einem Monat Kurzarbeit am Normal-Netto fehlt. Alles andere ist die Umverteilung tarifvertraglicher Leistungen, die den Lohnverlust aufs Jahr gerechnet nicht verringern.

Hierbei ist das materielle Ergebnis wohl nicht der entscheidende Punkt. Es geht insbesondere darum, was ist bei dieser Auseinandersetzung für die Stärkung der gewerkschaftlichen Kampfkraft, für die Stärkung der Arbeiterklasse gegenüber dem Kapital getan worden? Dafür gilt die Tatsache, dass weder Moratorium noch „unbezifferte Lohnforderung“ als „Mobilisierungs“-Forderung in den Betrieben, sondern in der IGM-Vorstandsetage entstanden sind. Um das als Forderung gegenüber Belegschaften und Tarifkommissionen durchzusetzen, hat die IGM-Führung mit einer Finte Fakten geschaffen. Das wurde wohl auch in einigen Tarifkommissionen als undemokratische Vorgehensweise kritisiert. Der IGM-Vorstand hat die IGM-Mitglieder und Belegschaften erst über sein Moratorium informiert, als seine dazu genannten Vorstellungen dem Kapitalverband Gesamtmetall und seinen 22 Mitgliedsverbänden bereits auf dem Tisch lagen. Die Tarifkommissionen erhielten danach den Auftrag, zu diskutieren und zu beschließen, was als Vorstandsbeschluss veröffentlicht war.

Natürlich lässt sich diese Verfahrensweise – nachträglich „mit großer Mehrheit absegnen“, was der Vorstand bereits beschlossen hat – auch als Beteiligung der IGM-Mitglieder verkaufen. Den Tarifvertrag, der dabei im Tarifgebiet NRW als „Pilotabschluss“ ausgehandelt wurde, haben die Tarifvertragsparteien auf den Namen „Zukunft in Arbeit 2020“ getauft. Nach Aussage des IGM-Vorstandes wurde damit der Tarifvertag „Zukunft in Arbeit“ von 2010 reaktiviert und den jetzigen Bedingungen angepasst.

In der „metallzeitung“ von März 2020 heißt es: „Diese Tarifrunde ist anders.“ Das Andere dabei ist bzw. war, die IGM-Führung hat dem Kapital auch dieses Mal die „alten Rituale“, Trillerpfeifen, rote Fahnen, Demos, Warnstreiks usw., erspart. Mit Mobilisierung der Basis und Stärkung der gewerkschaftlich notwendigen Kampfkraft hat das wenig zu tun. Den Metallerinnen und Metallern wurden hierbei als stärkstem Teil der organisierten Arbeiterklasse weitere acht Monate „Friedenspflicht“ – die Tarifvertragslaufzeit – ans Bein gebunden. Dabei bleibt es nicht aus, dass sich Kapitalverbände für diese Art von „Solidarakten“ bedanken. Die bayrischen Metall- und Elektrokapitalisten haben bereits im Januar für das Stillhalteabkommen „mindestens“ fünf Jahre Laufzeit verlangt und mitgeteilt: „Wir begrüßen die Bereitschaft der IG Metall, angesichts der aktuellen Herausforderungen für die M+E-Industrie – Konjunktur, Wettbewerbsfähigkeit und Transformation – den Fokus auf die Zukunfts- und Beschäftigungssicherung zu legen und auf die üblichen Rituale in Tarifauseinandersetzungen zu verzichten.“

Ob es wieder zu diesem Verzicht kommt, ist abhängig davon, welche Lehren die Metallerinnen und Metaller aus der abgelaufenen Tarifrunde ziehen: Das Heft des Handelns mehr als bisher und rechtzeitig vor Tarifablauf in die eigenen Hände nehmen oder Gefahr laufen, erneut ungefragt von Vorstandsbeschlüssen überrollt zu werden?

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"Tarifabschluss der IG Metall", UZ vom 12. Juni 2020



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