Grüne propagieren Einwanderungsselektion mit Nützlichkeitspunkten

Talentscouts im Konkurrenzwahn

Von Markus Bernhardt

Bereits Anfang April hat die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen den Entwurf eines Einwanderungsgesetzes vorgelegt. Deutschland sei ein Einwanderungsland und brauche daher ein Einwanderungsgesetz, erklärte die ehemalige Pazifisten- und Ökopartei.

Keineswegs geht es den Grünen darum, Migrantinnen und Migranten zu helfen und diesen eine Hilfestellung für ein Leben in Sicherheit und Arbeit zu geben. „Die alternde Gesellschaft und der Fachkräftemangel lassen keine Zweifel mehr: Deutschland ist auf Einwanderung angewiesen“, stellen die Spitzenfiguren bei den Grünen, Katrin Göring-Eckardt (Fraktionsvorsitzende), Volker Beck (Fraktionssprecher für Migrationspolitik) und Brigitte Poth­mer (Sprecherin der Bundestagsfraktion für Arbeitsmarktpolitik) anlässlich der Vorstellung ihres Gesetzesentwurfs fest. Ihr Ziel lautet eigenen Angaben zufolge, „den Bedarf an qualifizierten Fachkräften in Deutschland zu decken“. Dazu wollen sie „eine Talentkarte“ einführen. Mit ihr sollen gut qualifizierte Fachkräfte mit ihren Familien auch ohne Nachweis eines Arbeitsangebots nach Deutschland kommen können, um hier binnen eines Jahres Arbeit zu finden.

Dazu soll „eine Einwanderungskommission“ ins Leben gerufen werden, die „den jährlichen Fachkräftebedarf und damit die Zahl der jährlichen Talentkarten dem Bundestag vorschlägt“.

Zugleich sollen die Möglichkeiten zur „arbeitsplatzgebundenen Einwanderung“ liberalisiert und entbürokratisiert werden. Die Hürden bei der Visumserteilung zur geringqualifizierten Beschäftigung sollen, ginge es nach den Grünen, abgebaut werden, „um insbesondere in Bereichen mit Arbeitskräftebedarf (z. B. pflegenahe Hilfstätigkeiten) die Einwanderung zu erleichtern“. Das Ergebnis von derlei Plänen liegt indes auf der Hand: Vor allem im Bereich der gering entlohnten Arbeitsverhältnisse würde es verstärkt zur Konkurrenz zwischen sozial deklassierten „Altbundesbürgern“ und Migranten kommen. Dies würde dazu führen, dass sich schon jetzt bestehende soziale Konflikte und Verwerfungen verschärfen würden und im schlimmsten Fall weiteres Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten wäre, die sich mit Horst Seehofer (CSU), Thilo Sarrazin (SPD) und teils auch mit Boris Palmer und Winfried Kretschmann (Grüne) in allen etablierten Parteien finden. Vor allem die schwächelnde AfD dürfte von den Plänen der Grünen profitieren.

Wie die Grünen fordern auch SPD und FDP ein Einwanderungsgesetz mit Punktesystem. Kanada, das beliebte Einwanderungsland dient als Vorbild. Seit 1967 betreibt Kanada das mittlerweile weltweit bekannte Punktesystem mit der Höchstzahl von 100 Punkten. Wer 67 und mehr erreicht, hat die erste und wichtigste Hürde genommen. Wenn man das Punktesystem herunterbricht, geht es im Kern um die Fähigkeit der Bewerber, sich zu integrieren, nachzuweisen, dass sie die gewünschten Fähigkeiten eines guten Mittelklassebürgers haben: Sprache und Berufserfahrung und ganz wichtig, passen sie in die Gesellschaft?

Wenigstens die Linkspartei lehnt derlei als „Nützlichkeitsrassismus“ ab. „Die Forderung nach einem Einwanderungsgesetz wird nicht besser, wenn sie von den Grünen erhoben wird. Ein solches Auslesesystem ist neoliberal und im Kern rassistisch“, kritisiert Sevim Dagdelen, Beauftragte für Migration und Integration der Linksfraktion. Schließlich brauche die BRD „kein Einwanderungsgesetz, das dem Kapital bessere Ausbeutungsbedingungen schafft und letztlich auf Lohndumping abzielt. Zudem sei eine Neuauflage der Gastarbeiterpolitik des vergangenen Jahrhunderts Gift für die Integration der bereits hier lebenden Menschen“, konstatierte Dagdelen. Eine soziale Integrationspolitik sei außerdem nur durch die Wiederherstellung des Sozialstaates möglich.

Tatsächlich zeigen die Pläne der neoliberalen Parteien deutlich, dass es ihnen um die Verschärfung der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt geht. Das Schicksal der Migrantinnen und Migranten selbst ist für die etablierte Politik dabei bestenfalls uninteressant. Die Auswirkungen eines solchen Einwanderungsgesetzes können – innenpolitisch betrachtet – verheerender nicht sein.

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"Talentscouts im Konkurrenzwahn", UZ vom 2. Juni 2017



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