Ein Land für Arbeiter, in dem niemand über seine Geburt definiert wird und alle ihr Potential ausreizen können.
Dies ist die jüngst formulierte Vision der britischen Regierung, vorgetragen von einem ihrer Minister, Matt Hancock. Mister Hancock steuert auch gleich konkrete Vorschläge bei, wie dieser Traum Wahrheit werden soll: Erwerbslose Jugendliche zwischen 18 und 21 sollen in Trainingscamps gesteckt werden und sich einem „Intensiv“-Programm unterziehen. Wichtiger Zusatz: Dies sei nicht als Bestrafung gemeint, wird der Minister in der britischen Tageszeitung „The Guardian“ wiedergegeben.
Ausbildungslager für die eigene Jugend? Der ehemalige VW-Mann Peter Hartz denkt europäischer. Sein „Konzept“ gegen die europaweite Jugendarbeitslosigkeit, welches er letztes Jahr vortrug, sieht eine „Talentdiagnostik“ zur Sortierung frischer Arbeitskräfte vor. Seine Eignungsanalyse orientiert sich dabei am aktuellen Bedarf an Arbeitskräften in ausgewählten europäischen Regionen. Klarer Vorteil gegenüber dem britischen Inseldenken: Ausbildungskosten tragen andere, ausgebeutet wird in Deutschland.
Hancock und Hartz sind wohl der Meinung, dass angesichts der Jugenderwerbslosigkeit in Europa solche Maßnahmen-Kataloge bei der Bevölkerung gut ankommen. Dass Hartz für seine Arbeitskräftesortierung gleich ganz Europa in den Blick nimmt, hat sehr einfache ökonomische Gründe. Der anhaltend hohen Nachfrage nach billigen qualifizierten Arbeitskräften auf dem deutschen Arbeitsmarkt steht eine vom Statistischen Bundesamt bezifferte Erwerbslosigkeit unter Jugendlichen in Deutschland von 7,7 Prozent gegenüber. Das ist zwar ganz ordentlich, aber Hartz rechnet mit ein bisschen Ausschuss, und außerdem lässt sich mit einem Überangebot der Preis der Ware Arbeitskraft besser unter ihren Wert drücken.
Hartz weiß zudem um die Dimension der chronischen Unterfinanzierung des deutschen Bildungssystems und um die schlechten Chancen von Jugendlichen mit Eltern in „Hartz IV“-Bezug, in diesem Bildungssystem eine verwertbare Qualifizierung zu erfahren.
Jenseits nationaler Grenzen lockt ihn ein wesentlich breiteres Angebot. Bei 52,4 Prozent und 53,2 Prozent Erwerbslosigkeit unter Jugendlichen in Griechenland und Spanien sind sicherlich „Talente“ im Hartzschen Sinne darunter – also ausgebildete Fachkräfte.