Am Montag ist in der Lausitz das sechste Energie- und Klimacamp zu Ende gegangen. In diesem Jahr hatte es in der Kohleregion für Furore gesorgt: Etwa 3 500 Umweltaktivisten des Aktionsbündnisses „Ende Gelände“ hatten es geschafft, den Tagebau Welzow für mehrere Tage zu besetzen sowie das Kraftwerk Schwarze Pumpe von der Kohleversorgung abzuschneiden. Die Proteste verliefen größtenteils friedlich. Für Ärger – auch unter den Aktivisten – sorgte die Erstürmung des inneren Kraftwerksgeländes am Samstag.
Das Aktionswochenende habe alle Erwartungen übertroffen, sagte Bündnissprecherin Hannah Eichberger. Insgesamt hätten mehr als 4 000 Menschen aus 12 Ländern das Klimacamp besucht, von denen sich etwa 3 500 an der Aktion zivilen Ungehorsams beteiligt hätten. Nach eigenen Angaben verlief die Aktion „ruhig, gut organisiert und besonnen“.
Ziviler Ungehorsam ist jedoch nichts für Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD). Er kritisierte am Pfingstwochenende die Besetzung des Braunkohle-Tagebaus in der Lausitz heftig. Die Aktivisten seien nichts anderes als „aus ganz Europa anreisende Rechtsbrecher“, sagte er laut „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“. Natürlich stehe es jedermann frei, für Unsinn und Unfug zu demonstrieren. Aber es dürfe nicht sein, „dass in unserem Land Gewalt und Selbstjustiz um sich greifen“.
Sich als Hardliner aufspielend, sagte Gerber weiter, die „illegalen Aktionen“ seien vollkommen inakzeptabel und müssten „mit der vollen Härte des Rechtsstaats geahndet werden“.
Polizei und Staatsanwaltschaft wollten dieser Ansicht aber nicht so recht folgen. Die Staatsanwaltschaft lehnte die Verfolgung der Demonstranten wegen Hausfriedensbruch und Nötigung ab und legte damit die Grundlage für einen äußerst passiven Polizeieinsatz. Im Hinblick auf die Besetzung des Braunkohletagebaus sei der Tatbestand des Hausfriedensbruchs nicht gegeben, weil das Gelände nur teilweise umzäunt gewesen sei. Außerdem konnte sie auch keine „Nötigungen durch Eingriffe in die Betriebsabläufe des Unternehmens“ durch das Besetzen von Gleisanlagen oder das Klettern auf Bagger erkennen. Dies resultiere aus dem Umstand, dass Vattenfall seinen Tagebaubetrieb bereits im Vorhinein eingestellt habe.
Zu Gewalt kam es am Wochenende dennoch – gegen Umweltaktivisten. In der Nacht von Samstag zu Sonntag war spontan eine Gegendemonstration organisiert worden, aus der heraus unter anderem versucht wurde, von Aktivisten besetze Gleisanlagen zu stürmen. Nach Augenzeugenberichten attackierte ein Mob von einigen hundert Menschen im Umfeld der Gleisblockade Passanten und Fahrzeuge. Demnach posierten Hooligans und Neonazis mit Baseballschlägern; eine Mahnwache von Umweltaktivisten wurde mit Böllern, Schlagwerkzeugen und Elektroschockern angegriffen.
Zu dieser Art von Selbstjustiz hatte zuvor der Lobbyverband „Pro Lausitzer Braunkohle“ indirekt aufgerufen. In einer Erklärung und mit einer Plakataktion versuchte der Verband Angst vor den Umweltschützern in der Bevölkerung zu schüren. Auf rund 3 000 Plakaten prangte in großen Lettern „Gewalt stoppen!“. Und in der Erklärung machte der Verbandsvorsitzende und Antikorruptionsbeauftragte der Stadt Cottbus, Wolfgang Rupieper, deutlich, wer die vermeintliche Bedrohung für die Lausitz darstelle. Es sei eine Farce, heißt es in dem Aufruf, „was diese vermeintlichen Umweltaktivisten nun auch in der Lausitz treiben wollen“. Angeblich gingen im Hambacher Forst „radikalisierte Ökoterroristen inzwischen mit Baseballschlägern gegen privates Eigentum vor“, brandschatzten, vergrüben sich in Erdlöchern und entglasten Fahrzeuge der arbeitenden Bevölkerung. Vor solchen Zuständen müsse man sich in der Lausitz schützen.
Mit den Aktionstagen in der Lausitz agiere „Ende Gelände“ nicht isoliert, erklärte das Bündnis, sondern sei Teil der internationalen Aktionswelle „Break Free from Fossil Fuels“. In den letzten zwei Wochen hätten tausende Menschen auf fünf Kontinenten Widerstand gegen fossile Infrastruktur geleistet. So sei in Brasilien das größte Kohlekraftwerk des Landes blockiert worden, im kanadischen Vancouver hätten hunderte Menschen in Kajaks gegen die Verschiffung von Öl demonstriert, „das mit krassen Umweltfolgen aus Teersanden gewonnen wurde“.