… aber auch nach Bundesgerichtshofurteil weiter möglich

Täuschung der Verbraucher eingeschränkt

Von Bernd Müller

Verbraucher über den Inhalt oder die Zusammensetzung der Lebensmittel zu täuschen ist ein gängiges Mittel der Lebensmittelkonzerne, Profite einzufahren. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 2. Dezember dürfte ihnen das nun etwas schwerer fallen. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) hatte über alle Instanzen geklagt und nun Recht bekommen.

Verbraucherschützer von foodwatch zeigten sich erfreut über das Urteil. Lena Blanken, Expertin für Lebensmittelkennzeichnung, erklärte dazu: „Die Lebensmittelindustrie hat nun eine billige Ausrede weniger.“ Seit Jahren täusche sie die Verbraucher mit irreführender Werbung und habe sich damit herausgeredet, dass die Kunden nur das Zutatenverzeichnis lesen müssten, um sich über den tatsächlichen Inhalt des Produkts zu informieren. So sei die Schuld denjenigen zugeschoben worden, die der Werbung geglaubt und nicht stets bei jedem Einkauf auch das Kleingedruckte auf der Rückseite studiert hätten. Es sei überfällig gewesen, dass der Lebensmittelindustrie dieser Zahn nun höchstrichterlich gezogen wurde.

Viele Produkte seien noch im Handel, die vorne mit großen Früchten locken, „diese aber gar nicht oder nur in homöopathischen Dosen enthalten“, so Blanken. Die Hersteller müssten nun massenhaft Etiketten retuschieren oder Rezepturen überarbeiten. Streitfall war ein Kinderfrüchtetee des Herstellers Teekanne. Unter der Bezeichnung „Himbeer-Vanille-Abenteuer“ wurde dieser bis 2012 vertrieben. Auf der Verpackung befanden sich Bilder von Himbeeren, Vanilleblüten, die Hinweise auf „natürliche Zutaten“ sowie der Schriftzug „Früchtetee mit natürlichen Aromen“. Allerdings waren im Zutatenverzeichnis keine Bestandteile oder Aromen von Vanille oder Himbeere aufgelistet, sondern lediglich „natürliches Aroma mit Vanillegeschmack“ und für Himbeergeschmack. Der vzbv hatte damals vom Hersteller verlangt, es zu unterlassen, in dieser Form für den Tee zu werben, wenn gar keine Bestandteile der Früchte enthalten sind.

In der ersten Instanz sah es für die Kläger gut aus. Das zuständige Landgericht erklärte, dass es verboten sei, unter irreführender Aufmachung Lebensmittel in Verkehr zu bringen. Das sei auch dann der Fall, wenn eine zur Täuschung geeignete Bezeichnung oder Aufmachung über die Zusammensetzung des Lebensmittels verwendet wird. Im verhandelten Fall sah es das Gericht als gegeben an, dass der Verbraucher bei der verwendeten Verpackung den nicht zutreffenden Eindruck gewinnen müsse, bei den Angaben „Himbeere“ und „Vanille“ handele es sich um die erwähnten „natürlichen Zutaten“ des Tees.

Dieses Urteil wurde allerdings in der zweiten Instanz vom zuständigen Oberlandesgericht (OLG) verworfen, und letztlich wurde

Lebensmittelkonzerne locken

mit bunten Verpackungen

die volle Verantwortung auf den Verbraucher abgewälzt. Das OLG argumentierte mit der „Perspektive des angemessen gut unterrichteten, angemessen aufmerksamen und kritischen Durchschnittsverbrauchers“. Ein solcher Verbraucher gehe nämlich davon aus, dass der Name des Tees und die Abbildungen lediglich auf die Geschmacksrichtung hindeuten und nicht darauf, dass tatsächlich Bestandteile von Himbeeren und Vanille enthalten seien. Schließlich lese ein Verbraucher, der sich in seiner Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung des Tees richtet, vorher auch das Zutatenverzeichnis. Deshalb sah das OLG keine Irreführung: Weil die Zutatenliste vollständig war, könne nicht von Täuschung gesprochen werden. Und wer das Kleingedruckte nicht lese, sei sowieso nicht an den Bestandteilen interessiert – und damit nicht hinters Licht geführt.

Der BGH wiederum legte einen Teil des Falls dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vor. Der EuGH führte nun aus, dass in dem Fall, dass einige Elemente auf der Verpackung „unwahr, falsch, mehrdeutig, widersprüchlich oder unverständlich seien, könne auch ein richtiges und vollständiges Zutatenverzeichnis in bestimmten Fällen ungeeignet sein, einen falschen und missverständlichen Eindruck zu berichtigen“, in dem Lebensmittel sei eine bestimmte Zutat. Schließlich bejahte der BGH unter der Vorgabe der Richter in Brüssel die Irreführung.

Die Verbraucherschützer von foodwatch machen allerdings darauf aufmerksam, dass auch nach diesem Urteil die Täuschung der Verbraucher weitergehen wird. „Auch wenn die Rechtsprechung die Verbraucherrechte stärkt, werden Täuschung und Irreführung im Supermarkt weiterhin die Regel und leider nicht die Ausnahme bleiben“, sagte Blanken weiter. Schließlich dürften etliche andere Werbelügen auch weiterhin ganz legal verkauft werden, weil es an klaren Kennzeichnungsregeln mangele. „Es ist allein eine Frage des politischen Willens, endlich bessere Vorgaben“ zu machen. Doch bisher kusche die Politik vor der Lebensmittelwirtschaft und „die Verbraucher sind die Dummen“.

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"Täuschung der Verbraucher eingeschränkt", UZ vom 25. Dezember 2015



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