Vor der kanadischen Küste paktieren Grauwale mit Orcas, um Touristen auf Walbeobachtungsschiffen zu töten. In Südfrankreich reicht ein Hummer aus, um die Wasserversorgung zu vergiften, denn er explodiert gemeinerweise in einer Restaurantküche. Vor Norwegen fressen neue Würmer im Verbund mit Bakterien die Stabilität des Meeresbodens weg. Vor den Shetlandinseln blubbert Methaneis empor. Venedig ist voller Quallen und in Südafrika, Japan und Brasilien überrennen Milliarden Krebse die Küsten.
Wenn so viel spektakuläres Verhalten von Meeresgetier auf dem Bildschirm zusammenkommt, hat jemand Frank Schätzings Wälzer „Der Schwarm“ verfilmt. Darauf hatte der nicht gerade für ein kleines Ego bekannte Autor lange gewartet – schon früh nach Erscheinen hatte er spektakuläre Hollywood-Verfilmungen seines Bestsellers angedeutet, von Paramount Pictures war die Rede und von großen Namen aus Regie und Schauspiel. Jetzt ist es das ZDF geworden – und so guckt sich die Serie auch.
Für die Verfilmung eines Romans, der davon handelt, dass die Meeresbewohner gegen die Menschheit zurückschlagen, muss man sich sehr viel Innenräume anschauen: Forschungslabore, WG-Zimmer, die verschiedenen Sitze eines japanischen Spitzenkonzerns (der in der Geschichte das Militär aus dem Buch wohl als Bösewicht ersetzen soll) und massenweise Hotelzimmer. Trotzdem kann man auf die Idee kommen, sich Buckelwale mal aus der Nähe ansehen zu wollen – die sind einfach unglaublich imposant, selbst wenn sie nur durch das ZDF schwimmen. Schauspielgrößen sucht man leider vergeblich und damit sind nicht große Namen gemeint. Bei der Besetzung der einen oder anderen Rolle fragt man sich, was die Produzenten da wohl geritten haben mag, zum Beispiel wenn Klaas Heufer-Umlauf jedes Mal, wenn er in den ersten sechs Folgen dran ist, mit dem gleichen Gesichtsausdruck auf einen Bildschirm starrt. Und auch die restliche Besetzung glänzt eher durch faszinierend gleichförmiges Mittelmaß.
Für die Trickkiste des Films war bei der Produktion trotz 40 Millionen Budget wohl kein Geld mehr übrig. Am Anfang springt noch ein Buckelwal auf ein Schiff, das war es dann aber auch. Große gesunkene Schiffe sieht man nur auf dem Meeresgrund, der Tsunami, der Europa heimsucht, rollt heran, hinterlässt aber statt visueller Zerstörung nur Nachrichtensendungen, die über Tote berichten, und betreten schauende Schauspieler. So kann man erzählen, spektakulär ist das aber nicht.
Am Ende der bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe zur Verfügung stehenden Folgen ist man ungefähr am Ende des ersten Drittels der Buchvorlage angekommen. Es ist unwahrscheinlich, dass die letzten zwei Folgen es zum Ende des Buches schaffen. Eine Fortsetzung scheint garantiert, zumal das ZDF angibt, bereits vor der Fernsehpremiere Zuschauerrekorde gebrochen zu haben. Innerhalb von 36 Stunden nach Veröffentlichung wurde die erste Folge 703.000 mal gestreamt, die zweite Episode 507.000 mal. Bei der dritten hatten dann schon nur noch 397.000 Menschen Lust zu wissen, wie es weitergeht – vermutlich wird es weniger Staffeln geben als ursprünglich geplant.
Und die Geschichte? Ist in der Verfilmung noch etwas klischeehafter geraten als im Buch. Trotz Langatmigkeit in einigen Folgen lässt die Erzählung den Protagonisten keine Zeit, zu den Schlüssen zu kommen, die außerhalb bisheriger wissenschaftlicher Erkenntnisse liegen, und so werden sie unfreiwillig komisch. Und mit der Terminologie klappt es auch nicht so.
Da hat die Meeresbiologie jahrzehntelang versucht, uns beizubringen, dass Orcas nicht Killerwale heißen und keine aggressiven Mörder sind (auch wenn sie in Gefangenschaft Menschen töten), sondern Schwertwale aus der Familie der Delfine. Und dann kommt die Schätzing-Verfilmung mit den killenden Orcas, die von Biologen Killerwale genannt werden. Wobei – in der Straße von Gibraltar greifen Orcas seit 2020 gezielt Segeljachten an. Zumindest iberische Orcas scheinen die Nase voll zu haben.
Der Schwarm
Folge 8 und 9 am 9. März im ZDF
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