Aufrufer zu Antikriegsdemos verzichten bewusst auf Kritik an Waffenlieferungen aus Deutschland in die Ukraine

Tabubruch in der Friedensbewegung

Deutschland befindet sich im Kriegstaumel. Aufstockung des Rüstungshaushalts um 30 Milliarden Euro, zusätzlich 100 Milliarden „Sondervermögen“ außerhalb des Haushaltes für die Hochrüstung der Bundeswehr – die Pläne dafür haben schon lange vor dem Krieg in der Ukraine in der Schublade gelegen.
Im Podcast „Stimmenfang“ des „Spiegel“ erläuterte der Journalist Konstantin von Hammerstein, der sich seit Jahren mit der Bundeswehr beschäftigt, dass es die konkreten Pläne zu einem 100-Milliarden-Sondervermögen bereits seit vergangenem Oktober gibt.

Zu „strategischen Projekten“ zur „Modernisierung und Digitalisierung der Bundeswehr“ seien laut Hammerstein im Oktober Positionspapiere in den einzelnen Abteilungen des Verteidigungsministeriums ausgearbeitet worden. Die Pläne belaufen sich insgesamt auf 102 Milliarden Euro und sollen die Bundeswehr unter anderem auf eine Situation vorbereiten, in der sich die USA aus der „transatlantischen Verteidigung“ zurückziehen – sei es aufgrund eines Bruchs in den Beziehungen mit Deutschland oder wegen einer Konzentration der USA auf den systemischen Gegner China.

Kein Wunder also, dass die Rüstungskonzerne bereits wenige Tage nach der Bundestagsdebatte konkrete Aufrüstungsangebote machen konnte, wie zum Beispiel Rheinmetall mit einem Paket im Wert von 46 Milliarden Euro.

Gleichzeitig zum Aufrüstungsspektakel liefert Deutschland das erste Mal auch offiziell Waffen an eine Konfliktpartei in einem Krieg, bisher geschah dies höchstens verdeckt. Im Zuge dessen kommt es auch zu einem Tabubruch in der Friedensbewegung: Im Aufruf für die am kommenden Sonntag in Berlin, Frankfurt, Hamburg und Stuttgart stattfindenden Demonstrationen werden Sanktionen befürwortet und die Waffenlieferungen an die Ukraine ausgeklammert. Zwar verurteilt der Aufruf die Rüstungsausgaben und insbesondere den Kauf neuer Flugzeuge zum Einsatz von Atombomben, verliert aber kein Wort zu den Waffenlieferungen an die Ukraine – und stellt sich damit nicht gegen das Anheizen des Krieges und die Profite deutscher Rüstungskonzerne. Dahinter steckt ein mit dem Aufruf an mögliche Bündnispartner verschicktes „Nicht veröffentlichtes Agreement“: Ob der Frieden in der Ukraine besser mit oder ohne Waffenlieferungen zu erreichen ist, würde von Teilnehmern und Bündnisorganisationen unterschiedlich bewertet, daher solle das Thema bei zukünftigen Kundgebungen nicht im Vordergrund stehen und Bündnismitglieder sich „nach Möglichkeit“ nicht dazu äußern. Wenn doch, so zum Beispiel bei Presseanfragen, mit Betonung des Respekts „vor der jeweils anderen Position“. Rednerinnen und Redner „aus der ukrainischen Community können auf der Bühne sowohl pazifistische Positionen gegen jede militärische Gewalt äußern als auch sich für Waffenlieferungen aussprechen“.

In einer Erklärung des Sekretariats des Parteivorstandes weist die DKP auf die sozialen Folgen der Hochrüstung hin: „Es kommt ein sozialer Kahlschlag auf uns zu, den dieses Land ebenfalls noch nie gesehen hat. Dagegen müssen wir uns wehren, dagegen braucht es den Widerstand der Arbeiter, Angestellten und Werktätigen, denn wir sollen das bezahlen.“ Bezahlen sollen sie, dass Deutschland „im Laufe dieses Jahrzehnts eine der schlagkräftigsten Armeen in Europa“ bekommt, „weil das der Bedeutung Deutschlands“ entspricht, wie Lindner (FDP) für die Ampelkoalition verkündete.

Die DKP stellt sich in ihrer Erklärung gegen die Kriegs- und Hochrüstungspolitik der Bundesregierung. Dazu gehört auch die Forderung, keine Waffen an Kiew zu liefern.

Die gesamte Erklärung der DKP gibt es unter kurzelinks.de/kriegundhochruestung

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"Tabubruch in der Friedensbewegung", UZ vom 11. März 2022



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