Nach dem Ende der Kämpfe in vielen Gebieten Syriens ist stillschweigend ein neuer Krieg entbrannt: der Wirtschaftskrieg gegen Syrien mit den erneut ausgeweiteten Sanktionen. Sichtbarer Ausdruck dieses Krieges sind stundenlange Wartezeiten an Tankstellen. Die bestehenden und weitere geplante Sanktionen gleichen einer Politik der verbrannten Erde, wie das European Council on Foreign Relations schreibt. Sie sollen zerstören, was in Syrien noch nicht zerstört ist.
Sanktionen gegen Syrien gibt es schon seit Beginn des Krieges und noch immer gelingt es den USA und ihren europäischen Verbündeten, sie zu verschärfen. Im November verhängte das US-Finanzministerium Sanktionen gegen weitere russische und iranische Unternehmen und warnte alle Unternehmen, die an Lieferungen nach Syrien beteiligt sind, vor weiteren Konsequenzen. Alleine die Drohung reicht schon aus, damit Reedereien und Versicherungsunternehmen vor Lieferungen nach Syrien zurückschrecken. Offenbar hat selbst die Suezkanal-Verwaltung iranische Schiffe auf dem Weg nach Syrien aufgehalten.
Statt des erhofften Aufschwungs für Syrien nach dem Ende der Kämpfe kam die zunehmende Krise. Die Ölproduktion in Syrien ist durch den Krieg massiv geschädigt und zugleich überwiegend in den Gebieten unter Kontrolle der „Demokratischen Kräfte Syriens“ (SDF). Seit Oktober kamen keine Öllieferungen mehr nach Syrien. Als Sofortmaßnahme musste die Regierung die Treibstoffabgabe reduzieren, pro Fahrzeug werden jetzt alle fünf Tage 20 Liter Benzin abgegeben. Die Abgabe von Benzin an staatliche Fahrzeuge wurde auf die Hälfte reduziert und zugleich können Unternehmen jetzt privat Treibstoff importieren. Viele Taxis fahren nach Beirut, um zu tanken. Die Folge sind weitere Preissteigerungen. Auch einzelne Tankstellen verkaufen privat importiertes Benzin zu Preisen, die weit über den subventionierten Preisen der staatlichen Tankstellen liegen und für die meisten Fahrer nicht bezahlbar sind.
In Damaskus ist die Treibstoffkrise Thema vieler Meetings. Obwohl der Iran selbst wegen der US-Sanktionen vor wirtschaftlichen Schwierigkeiten steht, kann eine mögliche Lösung der Krise darin bestehen, iranisches Öl über den Landweg nach Syrien zu liefern. Die Mittel zur Finanzierung könnten wohl aus einem Abkommen mit Russland bereitgestellt werden, in dem es darum geht, den Hafen von Tartus an russische Unternehmen zu verpachten, die die wirtschaftliche Nutzung des Hafens ausbauen wollen.
Der Landweg führt über Al-Bukamal, den Grenzort zum Irak, den die syrische Armee im Kampf gegen den IS vor den SDF erreicht hatte. Hier gibt es immer noch Reste des IS, die Öltransporte gefährden können. Auch haben die USA ein Interesse daran, Lieferungen über den Landweg zu unterbinden – dazu brauchen sie aber die SDF. Und zugleich wachsen hier die Spannungen zwischen arabischen Dörfern und den kurdisch dominierten SDF.
Trotz vieler gegenteiliger Erklärungen wie in der aktuellen Runde von Verhandlungen im Astana-Format in der Hauptstadt von Kasachstan, Nur-Sultan, ist Syrien faktisch weiterhin geteilt.
Und nach wie vor gibt es keine sichtbaren Fortschritte bei der Bildung eines Verfassungskomitees. Der russische Verhandlungsführer Lawrentjew erklärte, eine Einigung sei in den nächsten Monaten erreichbar. Doch mit der aktuellen Benzinkrise haben Teile der Opposition und ihre Förderer im Ausland kein Interesse an einer schnellen Einigung. Sie hoffen, die Auswirkungen der Sanktionen, die unterschiedslos gewöhnliche Syrer und Unternehmen treffen, werden ihre Position stärken.