Der allererste Mythos, den man widerlegen muss, wenn es um die heutige Migrationspolitik der USA geht, ist, dass es unter Obama besser war, oder sogar, dass es irgendwie migrationsfreundlich war. Vielleicht scheint es nicht so wichtig, diese Differenzierung zu machen, aber es handelt sich hier nicht um die Politik eines Individuums, sondern um ein System, das migrationsfeindlich war, ist und sein wird. Im Gegensatz zu seinen Wahlkampfreden (von denen er profitiert hat) hat Obama ohne Frage eine zynische Anti-Migrations-Politik betrieben.
Diese intolerante Politik zeigt sich in der Einführung des sogenannten „Secure Communities“-Programms (sichere Gemeinde), im Anstieg des Budgets für Grenzkontrollen, im Zuwachs der Anzahl von Grenzpolizisten und Grenzbeamten, in der Verstärkung der materiellen Grenze mit Mexiko und in der Toleranz gegenüber lokalen Anti-Migrations-Gesetzen. Allein in den ersten Monaten von Obamas Präsidentschaft wurden über 32 000 Mexikaner deportiert. In seiner Amtszeit deportierte Obama insgesamt fast 3 Millionen Menschen. Das heißt, Obama deportierte allein mehr als die vorherigen US-amerikanischen Präsidenten in den letzten 30 Jahren, darunter Politiker wie Reagan und George H. W. Bush sowie dessen Sohn.
Da kam Trump ins Spiel. Ein Kandidat, dem es mit einer anderen Botschaft gelungen ist, an die Macht zu kommen: einer Botschaft des Hasses. Trump will und muss seine Anti-Migrations-Politik nicht hinter einem liberalen Schleier verstecken. Er hat diese intolerante und rassistische Politik sogar versprochen und ist entschlossen, diese abzuliefern. Trump hat manche Programme von Obama ausgesetzt oder komplett abgeschafft. Die Mehrheit dieser Programme waren nur eine Fassade und hätten niemals das Problem der illegalen Migranten gelöst. Trotzdem stellen sie eine Hoffnung für Tausende junger Migranten dar, die sogenannten „Dreamers“ („Träumer“, bezieht sich auf den „Dream Act“), die irgendwie an Obama glaubten.
In diesem Zusammenhang folgt Trump nur der bereits existierenden „Iniciativa Merida“, einer Migrationspolitik, die unter den damaligen US-Präsidenten Bush und dem mexikanischen Präsidenten Felipe Calderón vereinbart wurde und die auch unter Calderóns Nachfolger Peña Nieto verfolgt wurde. Im Rahmen dieser Initiative erledigen US-amerikanische Agenturen wie CIA, FBI, DEA und das Pentagon geheimdienstliche Aufgaben in Mexiko. Ursprünglich war es das Ziel, diese Initiative gegen den Drogenhandel zu richten, allerdings wurden im Laufe der Zeit neue Elemente hinzugefügt. Besonders beim Thema Migration, wo dem mexikanischen Nationalinstitut für Migration (INAMI) die Aufgabe gestellt wurde, „illegale“ Migranten festzunehmen und zu identifizieren. Zwecks der Erfüllung dieser Aufgabe liefern die USA der mexikanischen Regierung biometrische Technologie, Ressourcen und Training. So wird versucht, Mexiko zur ersten Hürde für „illegale“ Migranten besonders aus Zentralamerika zu machen.
Die Rechte sowohl der mexikanischen als auch aller anderen Nationen werden dadurch beschädigt. Trumps Politik hat das Ganze nur verschärft bis zu dem Punkt, dass wir die schrecklichen Bilder von auf Deportation wartende Kinder in Käfigen zu sehen bekommen.
Mexikanische Migranten sind am Stärksten betroffen, denn sie sind die größte Gruppe unter den Migranten (ca. 5,6 Millionen im Jahr 2016). Viele von ihnen versuchen, direkt nach der Abschiebung sofort in die USA zurückzukehren, nachdem sie eine angemessene Zeit in Mexiko in irgendeinem Grenzort verbracht haben. Viele von ihnen werden im Grenzgebiet bleiben und sich assimilieren. Andere werden auf Grund der Armut, dem Mangel an Möglichkeiten und anderem in die Hände von Mafia-Gruppen fallen oder selbst bei der Mafia mitmachen.
Die von Trump im Laufe der Kampagne so gefeierte Mauer hat – mit Ausnahme des medialen Effekts – bisher keinen großen Unterschied gemacht. Zwei Gründe gibt es dafür: Erstens, eine physische Mauer gab es an den wichtigsten Punkten der Grenze bereits; und zweitens kann kein physisches Hindernis Arbeitsmigranten abhalten. Das Thema Mauer ist ein mediales Gebilde (Konzept), das heutzutage per se zu einer Art Symbol der Migrationspolitik Trumps geworden ist. Diese Politik wird trotzdem vom mexikanischen politischen System vor allem durch die folgsamen Medien ausgenutzt, indem der Präsident selbst oder die Bundesminister sporadisch eine inhaltslose und rhetorische Äußerung zum „Schutz“ der Migranten von sich geben.
Die Wahrheit ist jedoch, dass sich seit dem Abschluss des Freihandelsabkommens mit den USA und Kanada die wirtschaftliche Situation in Mexiko aufgrund der damit verbundenen Privatisierungen verschlechterte. Feste Arbeitsplätze gingen verloren, Menschen wurden in die Armut geschickt. Der neoliberale Kapitalismus, der Mexiko schon seit 30 Jahren aufgezwungen wird, kann nicht und wird niemals das Problem der Migranten lösen. Er ist selbst Ursache.
Nur eine neue Konzeption der Ökonomie und der Verteilung des Reichtums bzw. eine andere Produktionsweise könnte den Exodus von Mexikanern in die USA stoppen. Der neu gewählte mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador, der von einer breiten linken Koalition unterstützt wird, hat die Migrationspolitik von Trump als rassistisch bewertet. Obradors Strategie gegen den mexikanischen Exodus verfolgt einen ökonomischen Ansatz. Er ist der Auffassung, dass eine Sonderwirtschaftszone im Bereich der Grenze nötig ist und meint, dass nur die industrielle und wirtschaftliche Entwicklung des Landes dem Problem effektiv begegnen kann. Damit hat er Recht.