Nachdem der Beschlusstext der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ am 26. September mit über 56 Prozent „Ja“-Stimmen (nur 39 Prozent stimmten dagegen) eine klare Mehrheit bei den Berliner Wählern erzielte, war die vergangene Woche von den üblichen Stellungnahmen, Abwägungen, Distanzierungen und Mutmaßungen geprägt. Klar feiert sich die Initiative selbst und wird nicht müde zu betonen, dass es sich bei dem Sieg um einen klaren Wählerauftrag für die Enteignung der größten Immobilienkonzerne handelt – gegen Entschädigung.
Aktuell beziffert die Kampagne die Kosten mit rund 10 Milliarden Euro. Die alte rot-rot-grüne Senatsregierung selbst hatte bereits im September 2020 die Schätzung einer Gesamtsumme von 29 bis 39 Milliarden Euro bekanntgegeben, die kreditfinanziert mit 6 bis 9 Milliarden Euro Eigenbeteiligung laufen könne. Diese Zahlen werden von der neuesten Schätzung des Verbands „Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen“ (BBU) getoppt. Danach beträgt die Entschädigungssumme mindestens 57 Milliarden Euro. Er bezieht dabei allerdings auch die Wohnungsbestände großer Genossenschaften mit ein, die nach dem Willen der Kampagnenmacher allerdings außen vor bleiben sollen.
Zu alldem äußerten sich diverse Experten. Muss bei der Berechnung vom „Verkehrswert“ (= Marktwert) ausgegangen werden oder genügt es, einen „Ertragswert“ (= die erwarteten Mieteinnahmen eines definierten Zeitraums abzüglich der anfallenden Kosten) anzusetzen, um auf dem Boden des Grundgesetzes und damit legal zu bleiben? „Am Ende werden die Gerichte entscheiden“, sagt Rouzbeh Taheri, Sprecher der „Enteignungs“-Initiative. „Natürlich wissen wir, dass jedes Gesetz, das beschlossen wird, von Gerichten gestoppt werden kann – am Ende vom Bundesverfassungsgericht.“
Und die Politiker? Sowohl die Vertreter der erfolgreichen Kampagne wie auch Spitzen der Partei „Die Linke“ kündigen an, Druck auf die künftige Landesregierung machen zu wollen: Der Volksentscheid und sein Beschlusstext müssten unbedingt umgesetzt werden. Real besitzt er jedoch höchstens eine symbolhafte Wirkung. Die Wahlsiegerin Franziska Giffey (SPD) war immer dagegen. Zwar behauptet sie nun, „verantwortungsvoll und respektvoll“ mit dem Votum umgehen zu wollen, betont aber die Notwendigkeit einer „sehr, sehr ernsthaften Prüfung“ seiner Rechtmäßigkeit und Finanzierbarkeit. Die Grünen meinen unisono, es gebe noch viele offene praktische und rechtliche Fragen. Sie hatten die „Enteignung“ ohnehin nur als „Ultima Ratio“ betrachtet und schieben nun die schwammige Vokabel „Mietenschutzschirm“ in den Vordergrund. Alle anderen Parteien im Abgeordnetenhaus sind klare Kampagnengegner. CDU und FDP haben Hoffnung auf eine Regierungsbeteiligung.
Im Grunde ist klar, dass der Hickhack um Rechtmäßigkeit und Entschädigungshöhe vor allem aus Propaganda- und Reklamegründen von und für bürgerliche Politiker betrieben wird. Der Volksentscheid und die Frage der Enteignung gegen Entschädigung werden auch künftig in den Schlagzeilen bleiben. Dafür werden allein schon die Kampagnenprofis sorgen. Sie haben damit eine Aufgabe für die kommenden Jahre. Die Berliner Mieter und alle, die es werden wollen, die in der Regel über kein dickes Portemonnaie verfügen, können davon jedenfalls nicht profitieren. Denn bei diesem Theater geht es nicht um den Bau preisgünstiger und guter Wohnungen jenseits der Profitlogik. Und leider auch nicht um die Entkopplung des Wohnungswesens vom kapitalistischen Markt.