Die Netflix-Serie „The Queen‘s Gambit“

Superfood- statt Junk-TV

Michael Berkowitz, „People‘s World“

Haben Sie den fettigen Superheldenfraß satt, der unsere Unterhaltungsarterien verstopft? Die neue Netflix-Serie „The Queen‘s Gambit“ („Das Damengambit“) bietet eine andere Art von Superhelden, die die Gefäße wieder frei macht. Anstelle der pausenlosen Kämpfe zwischen scha-blonenhaften Zeichentrickfiguren, die Gut und Böse verkörpern, ist „Queen‘s Gambit“ die Geschichte einer Figur, die in einer schwierigen Gesellschaft und unter widrigen Umständen aufwächst, inmitten subtilerer Schattierungen der Moral.

Die Schöpfer der Serie, Scott Frank („Out of Sight“) und Allan Scott („Don‘t Look Now“), haben den gleichnamigen Roman von Walter Tevis aus dem Jahr 1983 ausgiebig adaptiert. Die Welt von „Queen‘s Gambit“ ergießt sich weit über das Schachbrett hinaus: Waisenhäuser machen Kinder mit Drogen gefügig. Das Schulsystem verachtet alles, was klug oder anders ist. Rechte Politiker und religiöse Organisationen tyrannisieren und bestechen erfolgreiche Schülerinnen und Schüler, damit sie für sie Propaganda machen.
Frank und Scott haben diese Atmosphäre nicht nur durch ihren Plot, sondern auch in ihren verblüffend hyperrealistischen Sets wiedergegeben; ein gut ausgewählter Soundtrack aus den sechziger Jahren wirft uns auf dieses Jahrzehnt des Wandels zurück.

Die junge Beth Harmon (Anya Taylor-Joy) wird durch einen Autounfall zur Waise. Sie landet im Mädchenheim, wo sie zwei dauerhafte Freundschaften schließt: Mr. Shaibel, der Hausmeister (Bill Camp), der Beth Schach lehrt, und die „Mitgefangene“ Jolene (Moses Ingram), die dort einspringt, wo eigentlich Eltern gebraucht würden. Als Beth endlich ein Zuhause findet, ist es Marielle Heller, die eine umwerfende, komplexe Adoptivmutter darstellt – fehlerhaft, aber warm und lustig.

Schach ist das ultimative Vehikel des Entkommens für Harmon. Sie beherrscht das Spiel, seine Geschichte und Kultur. Ihr scharfer Intellekt, ihr fotografisches Gedächtnis und ihre Kreativität katapultieren sie in die höchstens Ränge des Schach-Königtums. Die sich gegenseitig unterstützende Schachgemeinschaft wird von eigentümlichen Charakteren bevölkert. Sie helfen, mit einer neuen Adoptivfamilie, einer Schule und Schachpartien zurechtzukommen. Im Gegensatz zu vielen ähnlichen Sportgeschichten, in denen Wettkämpfe als mörderische Kämpfe auf Leben und Tod dargestellt werden, werden hier eher Kooperation und Kameradschaft betont.

Ein großer Teil der dramatischen Spannung besteht aus Beths Kämpfen mit Drogenmissbrauch und ihrem persönlichen Wachstum. Wenn die Institutionen sie im Stich lassen, muss sie auf ihren Intellekt, ihren Charakter und ihre Freunde zurückgreifen.

Beth Harmons Geschichte ist vor allem die Geschichte einer jungen Frau, die darum kämpft, sich einen Platz in einer von Männern dominierten Welt zu erkämpfen. Die Serie fängt die institutionelle und kulturelle Voreingenommenheit gegenüber Frauen ein, die wir bis heute bekämpfen.

Übersetzung und Bearbeitung: Lars Mörking

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"Superfood- statt Junk-TV", UZ vom 11. Dezember 2020



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