Man kann sich vorstellen, wie die zurückhaltende chinesische Art Xi Jinping beim Gespräch mit EU-Ratspräsident Michel und mit EU-Kommissionschefin von der Leyen dabei half, das Hilfsangebot der EU in Sachen Pandemiebekämpfung wegzulächeln. Nicht etwa in den USA, in vom Impfstoff ausgegrenzten Ländern Afrikas oder Lateinamerikas, schon gar in Russland oder im eigenen Herrschaftsbereich will die EU „Expertise teilen“, sondern China mit mRNA-Technologie aushelfen – dem Land, das nach Infektionen pro Kopf 1.800 Mal al besser dasteht als Deutschland. Natürlich nur gegen ungehinderten Unternehmens- und EU-Parlamentarierzugang dort. Um bei solchen Angeboten innerlich entspannt zu bleiben, braucht es in China keine Aprilscherztradition.
Aber der virtuelle EU-China-Gipfel am 1. April drehte sich weniger um Corona als um die Modesorge der EU-Wertegemeinschaft: den Frieden in der Welt – der immer genau dann bedroht ist, wenn man nicht selbst Bomben wirft. In diesem Fall mordete die NATO, zu der 21 EU-Mitgliedstaaten gehören, nicht millionenfach im Irak, Jugoslawien oder Afghanistan, in Syrien, Mali, dem Jemen oder in Libyen, sondern es wurde die Russische Föderation gezwungen, den ukrainischen Vernichtungsfeldzug im Donbass zu brechen und sich so gegen die NATO-Staaten zur Wehr zu setzen. Bis heute sichtbare Konsequenzen sind ein konjunktureller, wohl für einige Monate anhaltender Schulterschluss innerhalb der Europäischen Union, eine massive Aufrüstung vor allem in Deutschland, ein ökonomischer Pyrrhussieger USA und die Verabschiedung von einer dringend nötigen EU-Klima- und Umweltpolitik, erwartbar durchgesetzt von der Führung der deutschen Grünen.
Wird der für die exportorientierte deutsche Automobil- und Maschinenindustrie selbstmörderische Kurs des Wirtschaftsboykotts der Russischen Föderation vollendet, so geht es um weit mehr als Gas und Öl: Ein Viertel des weltweit verarbeiteten Aluminiums kommt bereits jetzt aus Russland, bei selteneren Metallen wie Nickel oder Palladium ist die Abhängigkeit noch größer. Und 70 Prozent der seltenen Erden kommen aus China, Russland und Vietnam.
Eine weitere Folge des Kriegseintritts der Russischen Föderation ist – sollten sich die russischen Kriegsziele einer Demilitarisierung und Blockfreiheit der mit faschistoider Brutalität regierten und vom imperialistischen Westen massiv aufgerüsteten Ukraine weiterhin Stück für Stück durchsetzen –, dass die für den großen Krieg der kommenden Dekade vorab angestrebte Umzingelung Chinas schwieriger wird als in Brüssel, Washington, London und Berlin mit dem Ukraine-Schachzug erhofft. Verzweifelt, aber konsequent in der Vasallentreue zu den USA trägt sich die Europäische Union also mit einem noch effektiveren Suizidgedanken: China solle sich unterstehen, Russland militärisch oder durch Umgehung der den sogenannten „freien Markt“ ebenso lächerlich wie kenntlich machenden „Sanktionen“ zu helfen; schließlich sei das BIP der Volksrepublik zu einem Fünftel von ausländischen Unternehmen erwirtschaftet. Man erwäge dann auch China zu sanktionieren. Da werden einige Säcke Reis mehr umfallen als üblich. Und dann geht es weiter auf der Seidenstraße.
Für China, das sich selbst mit einer ähnlichen Provokation durch die Aufrüstung Taiwans und die westliche Infragestellung der 1985 von Großbritannien vor den Vereinten Nationen ratifizierten, schrittweisen und für das Jahr 2047 vorgesehenen restlosen Eingliederung Hongkongs in die Volksrepublik konfrontiert sieht, ist der Konflikt um die Ukraine wie ein Blick in die Zukunft. Daher ist die in internationalen Gremien geübte chinesische Neutralität keine in der Sache. Beide Länder sind vom Imperialismus bedroht.