Zu den Reaktionen von EU und Deutschland auf die Münchner Sicherheitskonferenz

Stur auf Kriegskurs

Die Stimmung EU-europäischer Politeliten nach der Münchner Sicherheitskonferenz lässt sich am ehesten mit einem Hühnerhof vergleichen, durch den gerade ein Fuchs seine Spur gezogen hat. Der US-amerikanische Vizepräsident James David Vance feuerte eine Breitseite gegen die bisherige Ukraine-Politik der westlichen Allianz und die bis dato öffentlich für unverrückbar erklärte Einheit zwischen den USA und der EU. Das führte beim deutschen Noch-Kanzler zum Gestammel: So etwas „gehört sich nicht“. Die Reaktionen der etwas abgebrühteren kalten und heißen Krieger jedoch machten deutlich, was auf uns alle mit einer neuen Bundesregierung noch zukommen könnte.

Das Bestimmende ist nicht das Beleidigtsein, bei den Verhandlungen über die Beendigung des Krieges in der Ukraine bestenfalls am Katzentisch zu sitzen. Dazu bleibt nur festzuhalten: Jeder einigermaßen vernünftige und mitfühlende Mensch muss froh und glücklich sein, dass nun endlich Gespräche stattfinden, um das Sterben im Donbass, bei Kursk und in der Ukraine bald zu beenden. Andere Vermittler als die USA – der Papst etwa oder China – wären vermutlich für diese Rolle besser geeignet als der Staat, der der Ukraine so viele Waffen geliefert hat wie kein anderer. Aber geschenkt – jedenfalls sitzen sich jetzt Russen und Ukrainer gegenüber mit Laptop und Stiften statt mit Panzern, Drohnen und Raketen.

Die Hauptreaktion in München, Brüssel, Berlin und in den Redaktionen der tonangebenden Medien aber war: Wenn sich die USA aus Europa zurückziehen, um sich ganz auf den kommenden Krieg im Pazifik vorzubereiten, dann müssen eben „wir“, die Völker Europas, so aufrüsten, dass wir auch ohne ihre Hilfe Russland besiegen können. Eine „Rüstungsoffensive auf Pump“ nannte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) das, was EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in München direkt nach dem Auftritt von Vance vorgeschlagen hatte. Der erst im April 2024 reformierte sogenannte „Stabilitätspakt“ solle ausgesetzt werden, um höhere Rüstungsausgaben zu ermöglichen: „Ich werde vorschlagen, die Ausweichklausel für Verteidigungsausgaben zu aktivieren.“ Mehr noch: Sie schlug vor, dass alle 27 EU-Staaten diese Ausnahmeregelung gemeinsam beantragen sollten. Damit stehen die Scheunentore für eine massive Verschuldung der EU an den internationalen Finanzmärkten für noch mehr Waffen in hoher dreistelliger Milliardenhöhe weit offen. Ebenfalls in München formulierte der deutsche Kanzler in spe, Friedrich Merz, dazu sein grundsätzliches Einverständnis.

Bei keiner der sich jetzt als „Brandmauer gegen Rechts“ gebärdenden Parteien, also insbesondere SPD und Grünen, erhob sich dagegen erkennbarer Widerspruch. Der kam von noch weiter rechts. Die FAZ kommentierte, das berge „ökonomischen Sprengstoff, weil viele EU-Staaten viel weniger fiskalischen Spielraum haben als in den Vor-Corona-Zeiten. (…) Höhere Schulden (…) bergen die Gefahr, dass dieser Spielraum immer kleiner wird.“ Es führe kein Weg daran vorbei, sich zwischen Sozialpolitik und höheren Rüstungsausgaben zu entscheiden.

Der Kriegskurs der EU-Spitzen ist durch die kalte Dusche von München ungebrochen. Vielleicht gelingt es ja, in den letzten Stunden des Wahlkampfes noch dem einen oder anderen klarzumachen: Wenn der Kriegskurs gegen Russland nicht gestoppt wird, geht es mit der Zerstörung des Wohlstandes in diesem Lande nach dem 23. Februar unvermindert weiter.

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"Stur auf Kriegskurs", UZ vom 21. Februar 2025



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