Bundesregierung verweigert genaue Auskünfte im Parlament

Stumpfes Schwert

Von Markus Bernhardt

Riesig,aber rostig

Riesig,aber rostig

( STBR/wikimedia commons / Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Das aktuelle Vorgehen der Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD in Sachen Aufarbeitung des G20-Gipfels erinnert an das Bildnis der drei weisen Affen von Nikkõ: Nichts hören, nichts sehen und nichts sagen. Vor allem aber: Keine Verantwortung übernehmen. So versucht die Regierungskoalition in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion im Bundestag, wenn überhaupt, ausweichend zu antworten und die politische Verantwortlichkeit für die vollends aus dem Ruder gelaufenen Polizeieinsätze rund um den Gipfel, der Anfang Juli in Hamburg stattfand, auf die Hansestadt bzw. ausgerechnet die Demonstranten abzuwälzen. Schon seit Wochen kommt es im Nachgang an den Gipfel nicht nur zu einer massiven Stimmungsmache und Hetze gegen die politische Linke. Vielmehr versuchen etablierte Politik, Polizei und Justiz auch die Aufklärung der rechtswidrigen und teils äußerst brutalen Polizeieinsätze zu behindern.

Während Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) schon kurz nach dem Gipfel wahrheitswidrig behauptete, dass es keine Polizeigewalt gegeben habe, beschönigt nunmehr auch die Bundesregierung die erschreckend gewalttätige Vorgehensweise der eingesetzten Beamten. „Die Bundesregierung wendet sich ausdrücklich gegen die von den Fragestellern implizierte Kritik an den Polizeien von Bund und Ländern“, erklärt die Regierung gleich zu Beginn ihrer Antwort an die Linksfraktion und betreibt damit eine Täter-Opfer-Umkehr vom Feinsten. Zudem stellt die Regierung klar, dass sie keineswegs auch nur willens ist, die Fragen der demokratischen Sozialisten vollumfänglich zu beantworten: „Das verfassungsrechtlich verbürgte Frage- und das Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung wird durch gleichfalls Verfassungsrecht genießende schutzwürdige Interessen, wie das Staatswohl, begrenzt“. Eine Offenlegung der erfragten Informationen berge die Gefahr, dass damit eine Offenlegung von Einzelheiten zu Arbeitsweisen und Methoden des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) verbunden wäre, die die Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung des BfV gefährden würde. Auch eine „Hinterlegung der angefragten Informationen in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages würde der erheblichen Brisanz im Hinblick auf die Aufgabenerfüllung des BfV nicht Rechnung tragen“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung weiter.

Die Frage, wie viele verdeckte Ermittler, Zivilbeamte und sonstige Staatsdiener in Hamburg im Einsatz waren, dürfte somit in naher Zukunft nicht aufgeklärt werden. Ähnlich verhält es sich in diesem Zusammenhang mit der Frage, wie viele Agents Provocateurs im Einsatz waren und ob sie sich auch an strafbaren Handlungen beteiligt haben?

Das parlamentarische Fragerecht der Bundestagsabgeordneten wird durch diese Handlungsweise der Bundesregierung ad absurdum geführt. So kann die Regierung mit einem Verweis auf eine angeblich bestehende Gefahr für die bundesdeutsche Sicherheitsarchitektur auch künftig Antworten auf umstrittene Polizeieinsätze oder ähnliche Vorgänge verweigern, was gängigen demokratischen Gepflogenheiten deutlich zuwider läuft.

Auch zu einer Bewertung der vielerorts dokumentierten Gewalttätigkeiten der eingesetzten Beamten wollte sich die Bundesregierung in diesem Fall nicht durchringen. Sie geht vielmehr „grundsätzlich davon aus, dass Polizistinnen und Polizisten in Deutschland die ihnen zum Schutz der Allgemeinheit kraft Gesetzes übertragenen Aufgaben rechtmäßig und professionell erfüllen“ und verbannt damit die vielen Berichte und Videosequenzen über die Gewaltexzesse der Staatsdiener ins Reich der Phantasie angeblicher Demokratiegegner.

Umso lockerer nimmt die Regierung hingegen schwere Grundrechtseingriffe wie Einreiseverbote, die sich gegen potentielle Demonstranten richteten. So verweigerte die Bundespolizei im Rahmen der vorübergehend wiedereingeführten Binnengrenzkontrollen fast 100 angeblich gewaltbereiten Personen die Einreise nach Deutschland. Ersichtlich wird aus der Antwort der Bundesregierung, dass es rund um den Gipfel zu einer internationalen Kooperation der Polizeibehörden und der Geheimdienste kam und auch Unterstützungsleistungen der Bundeswehr und ausländischer Polizeien auf deutschem Staatsgebiet stattfanden. Zu alledem will sich die Bundesregierung aufgrund einer möglichen Gefährdung der Sicherheit ebenfalls nicht detailliert äußern.

Die DKP hatte die schweren Verstöße der Herrschenden gegen die bestehenden Reste der noch existenten Grund- und Freiheitsrechte bereits im Vorfeld des Gipfels massiv kritisiert. Daran hält die Partei auch weiterhin fest und unterstützt den für den 7. Oktober in Düsseldorf geplanten Kongress unter dem Motto „Demonstrationsrecht verteidigen! Widerstand gegen den Abbau unserer demokratischen Grundrechte“. Zu der Tagung werden mit Alexander Bosch, dem Sprecher für den Themenkomplex „Polizei und Menschenrechte“ bei Amnesty International Deutschland, Gabriele Heineke vom Republikanischen Anwältinnen – und Anwälteverein, der innenpolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, sowie verschiedenen Gewerkschaftsfunktionären, hochkarätige Referenten erwartet.

Eine Erklärung, die unter dem gleichen Motto wie die Konferenz steht und die bereits von mehreren Hundert Persönlichkeiten unterzeichnet wurde, kann direkt auf der Internetseite der Organisatoren unterstützt werden.

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"Stumpfes Schwert", UZ vom 29. September 2017



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