Auch Mietinitiativen solidarisch mit Ex-Staatssekretär

Studenten fordern neuen Job für Holm

Von Markus Bernhardt

Reinemachen mit Tradition

Die Humboldt-Universität begründete die Entlassung Andrej Holms damit, dass er seine Arbeit für das Ministerium für Staatssicherheit verschwiegen habe. Schon nach der „Wende“ von 1989 waren Wissenschaftler, die unter dem Verdacht des Marxismus standen, aus der Universität entlassen worden – für diese Aufgabe holten die neuen Machthaber im Fall des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften auch einen alten Nazi aus dem Ruhestand zurück: Professor Wilhelm Krelle wurde 1991 zum Gründungsdekan berufen. Er müsse „reinemachen“, kein Marxist solle seinen Fuß über die Schwelle seiner Fakultät setzen, so sah Krelle seine Rolle.

Der SS-Sturmbannführer Krelle hatte ab 1944 eine SS-Panzergrenadierdivision kommandiert. Dass er befohlen hatte, Deserteure und geflohene KZ-Häftlinge zu erschießen, hinderte die Universität nicht daran, Krelle 1994 zum Ehrendoktor zu machen.

Die Solidarität mit Andrej Holm reißt nicht ab. Holm war in der vergangenen Woche von seinem Amt als Staatssekretär zurückgetreten, nachdem eine Schlammschlacht gegen ihn aufgrund seiner Arbeit für das Ministerium für Staatssicherheit eröffnet worden war (UZ berichtete).

Schon seit Mittwoch letzter Woche halten Studentinnen und Studenten das Sozialwissenschaftliche Institut der Berliner Humboldt-Universität besetzt. Sie fordern, dass das Universitätspräsidium seine „politische Entscheidung, den kritischen Sozialwissenschaftler und Dozenten Andrej Holm zu entlassen“ zurücknimmt.

„Die Mehrheit der Studierenden schätzt Andrej Holms Beiträge in Lehre und Forschung“, konstatierten die Besetzer. Kritische Forschung, die sich nicht scheue, aktiv stadtpolitische Missstände anzusprechen und aktiv zu werden, sei genauso Andrej Holms Markenzeichen „wie eine innovative, spannende und engagierte Lehre“. Sie warfen dem Präsidium zudem vor, vorhandene Spielräume nicht genutzt zu haben und mit seiner „politische(n) Entscheidung“ „weiten Teilen der Studierenden in den Rücken“ gefallen zu sein. Sollte eine Revision der Entscheidung des Präsidiums, Andrej Holm zu entlassen, nicht möglich sein, fordern sie die „Schaffung einer neuen, unbefristeten Stelle am Lehrbereich ‚Stadt- und Regionalsoziologie‘ am Institut für Sozialwissenschaften“. Eine der rund 150 Besetzerinnen und Besetzer fragte: „Wie würde eine Präsidentin handeln, die hinter Holm steht? So jedenfalls nicht – dieser Umgang mit einem profilierten und allseits anerkannten Forscher ist für uns nicht hinnehmbar.“

Auch Mieterinitiativen hatten sich mit Holm solidarisiert, den auch sie „als Streiter für die Rechte der Mieter und Mieterinnen“ wahrgenommen haben. Dieser habe „wie kein anderer seit langer Zeit in der Öffentlichkeit vor der aktuellen Wohnungskrise gewarnt, die Berlin“ spalte. „Explodierende Mieten, Gentrifizierung und Verdrängung bedrohen viele Berliner und Berlinerinnen und das gesellschaftliche Miteinander, das ein Gemeinwesen ausmacht.“

„Hier geht es letztendlich nicht um die Personalie ‚Holm‘. Hier geht es vielmehr um die Zukunft Berlins und welchen Interessen der Senat folgt“, stellten mehrere Initiativen in einem Offenen Brief klar. Eine soziale Stadtentwicklung und Wohnraumversorgung sei aus ihrer Sicht „elementar für die Zukunft Berlins“. Die Immobilienwirtschaft und die Stadtverwertungsprofiteure wollten Andrej Holm hingegen „scheitern sehen“.

Tatsächlich hätte ein Staatssekretär namens Holm Berlin gut tun können. Nirgendwo sonst stiegen die Wohnungspreise derart schnell in die Höhe, wie in der Bundeshauptstadt. Nirgendwo sonst ist der Zuzug an neuen Einwohnern derart groß. Kritik mehrt sich mittlerweile jedoch auch zunehmend am Berliner Landesverband der Linkspartei. Diese sei nicht solidarisch genug mit Holm gewesen und habe sich nicht transparent und offensiv genug für den von ihr eingesetzten Staatssekretär stark gemacht, hieß es unter anderem.

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"Studenten fordern neuen Job für Holm", UZ vom 27. Januar 2017



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